Medoc Blog

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27.06.23

Autismus-Spektrum und Schmerz, hyper- oder hyposensibel?

Die sensorische Verarbeitung ist einer der Aspekte der Autismus-Spektrum-Störung (Autism Spectrum Disorder - ASD), der in der medizinischen Gemeinschaft diskutiert wird.

Zu den neuen DSM-5-Kriterien für die Diagnose von ASD gehört die „Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen“. Ein Beispiel dafür ist die „scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Schmerzen“ (Centers for Disease Control and Prevention). Dieses Kriterium war in der vorherigen Version (DSM-4 der Autism Society of Southern Arizona) nicht enthalten. Die Hinzunahme des Kriteriums unterstreicht die laufende Diskussion über die sensorische Verarbeitung bei ASD und vielleicht auch die Schmerzwahrnehmung.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Hoffman et al. aus Haifa, Israel, wurde die Beziehung zwischen Schmerz, Schmerzverarbeitung und Autismus untersucht. Angeregt durch das erregende/hemmende (E/I) Ungleichgewicht, das bekanntermaßen mit Autismus in Verbindung gebracht wird, machten sich die Forscher daran, die erregenden und hemmenden sensorischen Bahnen mit Hilfe geeigneter Labortests psychophysikalisch zu bewerten.

Teilnehmer und Fragebögen

Es wurden 52 Erwachsene mit diagnostizierter ASD und 52 Kontrollpersonen mit typischer Entwicklung (TD) rekrutiert. Alle hatten keine chronischen oder akuten Schmerzen und erreichten auf der Wechsler Abbreviated Scale of Intelligence-II (IQ)-Skala einen Wert von mehr als 80. Als Fragebögen wurden der Autismus-Spektrum-Quotient-Fragebogen, die Pain Catastrophizing Scale (PCS), das Spielberg State-Trait Anxiety Inventory, der Pain Sensitivity Questionnaire (PSQ) und die Sensory Responsiveness Questionnaire-Intensity Scale (SRQ-IS) verwendet.

QST-Labortests

Die Schmerzpsychophysik bestand aus einer quantitativen thermischen sensorischen Prüfung unter Verwendung des TSA-II von Medoc. Die Wahrnemungsschwellen für Kälte-, Wärme- und Hitzeschmerz wurden nach der Methode „Limits“ ermittelt. Die Hitzeschmerzempfindlichkeit wurde mit der Pathway CHEPS-Thermode von Medoc in 3x20 halb-randomisierten Hochgeschwindigkeits-Impulsserien bis 46°C, 49°C und 52°C getestet. Die Pulsserien wurden von den Teilnehmern verbal bewertet. Die phasische zeitliche Summierung wurde mit 15 Reizen bei 48°C unter Verwendung der CHEPS-Thermode bewertet. Die Gewöhnung an den Schmerz wurde mit zwei Sätzen von 20 phasischen Reizen mit der CHEPS-Thermode bei der kalibrierten phasischen Temperatur von Pain 50/100 getestet. Jeder Stimulus wurde einzeln bewertet.

Es wurden zwei Protokolle zur konditionierten Schmerzmodulation (CPM) getestet. Ein Protokoll, bei dem das Protokoll zur Schmerzgewöhnung als Testreiz verwendet wurde, und ein weiteres, bei dem ein kalibrierter tonischer Reiz mit der Intensität von Pain 50 für zwanzig Sekunden gegeben wurde. Der Konditionierungsreiz bestand aus einem heißen Bad (mit persönlich kalibrierten Temperaturen zwischen 46-47°C). Jeder Testreiz wurde allein und dann parallel mit dem Konditionierungsreiz durchgeführt, um den CPM-Effekt zu bewerten.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf Schmerzen zwischen Personen mit Autismus und Kontrollpersonen mit typischer Entwicklung

Es wurden keine Unterschiede zwischen der ASD- und der TD-Gruppe bei den sensorischen oder Schmerzschwellen festgestellt. Bei den überschwelligen Schmerzbewertungen im Protokoll zur Schmerzempfindlichkeit bei Hitze waren die ASD-Teilnehmer empfindlicher gegenüber allen drei überschwelligen Reizstärken. In der Autismus-Gruppe waren die überschwelligen Bewertungen signifikant mit den PSQ-Werten korreliert. Keine der beiden Gruppen zeigte eine signifikante Gewöhnung an die Stimuli.

Beim Protokoll zur zeitlichen Summierung zeigte keine der Gruppen im Durchschnitt eine zeitliche Summierung. Der markante Unterschied zwischen den beiden Gruppen war die durchschnittlich höhere Schmerzbewertung der Autismus-Gruppe sowohl für den ersten als auch für den letzten Reiz im Vergleich zu der Kontrollgruppe. Bei der zeitlichen Summierung gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen.

Was die Gewöhnung an den Schmerz betrifft, so erreichte keine der beiden Gruppen selbst bei der höchsten Testtemperatur den Schmerzwert 50. Bei dieser Temperatur waren die Schmerzbewertungen der Autismusgruppe signifikant höher als die der Kontrollgruppe. Der Vergleich zwischen den Bewertungen der beiden Serien im Gewöhnungsprotokoll zeigte, dass keine der beiden Gruppen eine signifikante Gewöhnung hatte.

In beiden CPM-Protokollen hatte die Autismus-Gruppe eine niedrigere Temperatur des Konditionierungsreizes, der im Vergleich zu der Kontrollgruppe als schmerzhafter bewertet wurde. Im phasischen Protokoll gab es keinen Unterschied in der CPM-Wirkung zwischen den beiden Gruppen, in denen beide eine Hemmung zeigten. Ähnlich wie beim Konditionierungsreiz war auch beim tonischen CPM-Protokoll der individuell kalibrierte Testreiz in der Autismus-Gruppe von geringerer Temperatur als in der Kontrollgruppe. Was die CPM-Wirkung im tonischen Protokoll betrifft, so zeigte die Kontrollgruppe eine Schmerzhemmung, während die Autismus-Gruppe hier keine CPM-Wirkung zeigte.

Sind Menschen mit Autismus empfindlicher für Schmerzen?

Diese Studie zeigt, dass Menschen mit ASD eine normale Funktion des peripheren Nervensystems zu haben scheinen, was durch das Fehlen von Unterschieden in den sensorischen und Schmerzschwellen deutlich wird. Allerdings scheint die Schmerzverarbeitung bei ASD abweichend zu sein, was sich in einer höheren Empfindlichkeit gegenüber überschwelligen Schmerzen im Vergleich zu Kontrollpersonen zeigt. Bei tonischen Reizen wurde eine geringere Wirksamkeit der Schmerzhemmung festgestellt. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Menschen mit Autismus ein pronozizeptives Schmerzmodulationsprofil aufweisen.

Die Ergebnisse dieser Studie liefern wichtige Informationen über die Schmerzverarbeitung bei Autismus und widersprechen der Annahme, dass Menschen mit ASD weniger schmerzempfindlich sind. Dieses Wissen kann das Bewusstsein der Betreuer schärfen und möglicherweise zu einer besseren Behandlung und Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führen.

Referenzen:

Hoffman, T., Bar-Shalita, T., Granovsky, Y., Gal, E., Kalingel-Levi, M., Dori, Y., Buxbaum, C. , Yarovinsky, N., Weissman-Fogel, I. (2022). Indifference or hypersensitivity? Solving the riddle of the pain profile in individuals with autism. PAIN, 10-1097.

Autism Society of Southern Arizona. (2023). DSM-IV - Diagnostic Classifications.

15.02.23

Der Blick der Liebe - wie das Gesicht unseres Partners den Schmerz modulieren kann

Warum laden wir unseren Partner ein, uns zu begleiten, wenn wir uns schmerzhaften Eingriffen unterziehen? Ist dies die soziale Unterstützung, die wir in der Not brauchen, oder könnte ihre Anwesenheit tatsächlich den Schmerz lindern?

Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen in Deutschland untersuchten, wie Gesichter unseres Partners oder von Fremden, einschließlich ihres Gesichtsausdrucks, den Schmerz modulieren können.

Für die Studie wurden gesunde weibliche Freiwillige (n=36) rekrutiert, die in einer festen Beziehung lebten.

Bilder und Schmerzen

Die visuellen Stimuli bestanden jeweils aus einem Gesichtsbild. Es handelte sich um Bilder eines neutralen, eines glücklichen oder eines wütenden fremden Gesichts, die der “Karolinska Directed Emotional Faces”-Fotokollektion entnommen wurden. Den Teilnehmern wurde auch ein Bild des neutralen Gesichts ihres Partners gezeigt. Als Kontrollbilder wurden Bilder eines natürlich bekannten Objekts verwendet, die aus dem “International Affective Picture System” stammten.

Die Hitzeschmerzstimulation wurde individuell auf der Grundlage der Hitzeschmerzschwellen und der Schmerzbewertung der Teilnehmer während eines tonischen Hitzereizes kalibriert. Die Teilnehmer wurden fünfzehn tonischen Schmerzreizen bei ihrer individuell kalibrierten Hitzeschmerztemperatur mit dem Pathway-System von Medoc 54 Sekunden lang appliziert, mit Intervallen zwischen 15 und 35 Sekunden. Von jedem Bildtyp (Partner, wütend, neutral, glücklich und Objekt) wurden sechs Bilder zufällig ausgewählt. Jeder Bildtyp wurde in 3 Versuchen während der 15 Versuche in einer pseudo-zufälligen Reihenfolge präsentiert, so dass nicht mehr als zwei aufeinanderfolgende Versuche die gleiche Bildkategorie enthielten. In jedem Versuch gab es 2 Bildbetrachtungszeiten von je 15 Sekunden, 5 Sekunden pro Bild.

Der Schmerz wurde dreimal pro Versuch innerhalb von 8 Sekunden auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 0 bis 20 bewertet, wobei 0 für keinen Schmerz und 20 für den schlimmsten vorstellbaren Schmerz stand. Die erste Bewertung erfolgte nach der Stabilisierung der Temperatur (Ausgangswert), die zweite nach der ersten Bildbetrachtungsperiode und die dritte nach der zweiten Bildbetrachtungsperiode. Weitere Messwerte waren: Hautleitwert (SCL), Herzfrequenz (HR) und Oberflächen-Elektromyographie (EMG) der Corrugator-Brauenmuskeln, die funktionell für das Stirnrunzeln verantwortlich sind.

Was moduliert den Schmerz am besten?

Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Schmerzbewertung, bevor die visuellen Reize gezeigt wurden.

Interessanterweise wurden die subjektiven Schmerzwerte bei dem Bild der Lebenspartner signifikant niedriger bewertet als bei neutralen, wütenden und Objektbildern während der Schmerzapplikation nach der Bildbetrachtung. Das Gesicht eines glücklichen Fremden war ebenfalls signifikant wirksamer bei der Verringerung der Schmerzbewertungen im Vergleich zu den Bedingungen "wütend", "neutral" und "Objekt". Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen dem glücklichen und dem Partnerbild.

Andere interessante Messungen und Schmerzen

Die Hautleitwerte während der Hitzeschmerzstimulation waren bei den Bildern der Partner am höchsten, nachdem sie den visuellen Reizen ausgesetzt worden waren, wobei es keine statistisch signifikanten Unterschiede zu den Ausgangswerten gab.

Das EMG des Corrugator-Muskels zeigte keine Unterschiede zu den Ausgangswerten, aber eine deutliche Entspannung (d. h. niedrigere EMG-Werte) während der Hitzestimulation für die Bilder der Partner im Vergleich zu den anderen Gesichts- und Objektbildern. Bei den glücklichen Gesichtsbildern war die EMG-Aktivität ebenfalls niedriger als bei den anderen Fotos, außer bei den Partnerbildern. Die Messung des Stirnrunzelns (Corrugator) zeigte eine Ähnlichkeit mit den subjektiven Schmerzbewertungen und deutet auf einen verhaltensbezogenen Aspekt des von den Teilnehmern wahrgenommenen Schmerzes hin.

Müssen wir unseren Partner zu einem schmerzhaften medizinischen Eingriff mitbringen?

Diese spezielle Studie zeigt, dass dies durchaus einen Unterschied in Bezug auf das Schmerzempfinden ausmachen kann. Aber auch ein fröhliches (freundliches?) Gesicht eines Fremden könnte helfen!

Referenzen:

Hillmer, K., Kappesser, J., & Hermann, C. (2021). Pain modulation by your partner: An experimental investigation from a social-affective perspective. Plos one, 16(7), e0254069.

11.09.22

Ist der zentrale neuropathische Schmerz bei Multipler Sklerose mit einer Beeinträchtigung der Temperaturwahrnehmung verbunden?

Zentraler neuropathischer Schmerz bei Multipler Sklerose (MS)

Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung, bei der es zu einer entzündlichen Demyelinisierung im zentralen Nervensystem kommt (Korn, 2008). Schätzungsweise drei Viertel der Patienten mit MS leiden unter Schmerzen (Solaro, 2013). Schmerzen können sekundär zu anderen typischen Symptomen wie Spastik oder Stimmungsstörungen entstehen. Sie können ihren Ursprung aber auch im zentralen neuropathischen Schmerz haben.

Es ist unklar, ob zentraler neuropathischer Schmerz (CNP – central neuropathic pain) bei MS auf eine Übererregbarkeit des Schmerzsystems oder auf eine Schädigung der spino-thalamokortikalen (STTC - spino-thalamocortical) Bahn zurückzuführen ist. Der STTC-Weg leitet sensorische Informationen von schädlichen und thermischen Reizen vom Rückenmark zum Thalamus und zum Kortex weiter. Einige dieser Eingänge werden auch an den Hirnstamm weitergeleitet, so dass diese Bahn indirekt auch an der absteigenden Hemmung beteiligt ist.

Quantitative sensorische Tests (QST) können dabei helfen, spezifische neuronale Mechanismen von anderen zu unterscheiden. Bislang gibt es nur wenige schmerzphysiologische Studien an MS-Patienten, die meist kleine Patientengruppen untersuchen und gemischte Ergebnisse mit QST zeigen. In einigen Studien wurde festgestellt, dass die thermischen Wahrnehmungsschwellen beeinträchtigt sind, was auf eine Schädigung des STTC hinweisen könnte.

Neben den thermischen Reizschwellen könnte die Thermische Grill-Illusion (TGI) einen weiteren Hinweis auf zentrale Mechanismen liefern. Beim TGI-Test werden nicht schädliche warme und kalte Reize parallel nebeneinander appliziert, was aufgrund zentraler Interaktionen ein brennendes Gefühl hervorrufen kann. Zusätzlich sind dabei Allodynie und Hyperpathie Indikatoren für eine Übererregbarkeit. Allodynie ist ein Zustand, bei dem ein nicht schmerzhafter Reiz als schmerzhaft empfunden wird. Hyperpathie wird als ein Schmerzsyndrom definiert, das durch eine abnorm schmerzhafte Reaktion auf einen Reiz sowie eine erhöhte Reizschwelle gekennzeichnet ist (IASP., 1994).

Rivel (Rivel, 2021) und Kollegen wollten daher herausfinden, ob der zentrale neuropathische Schmerz bei MS-Patienten mit der STTC-Funktion, der Übererregbarkeit der Schmerzbahnen oder der thermischen Grillillusion zusammenhängt.

Sensorische Prüfung

Diese Studie umfasste 153 Teilnehmer: 47 MS-Patienten mit CNP, 42 schmerzfreie MS-Patienten und 36 gesunde Kontrollpersonen.

MS-Patienten mit CNP wurden an der schmerzempfindlichsten Körperstelle (bei den meisten am Schienbein, bei einigen am Unterarm), an einer vergleichbaren Körperstelle (z. B. an der kontralateralen Körperstelle oder an einer Körperstelle in unmittelbarer Nähe) und an einer schmerzfreien Körperstelle (bei den meisten am volaren Unterarm) getestet. Gesunde Kontrollpersonen und schmerzfreie MS-Patienten wurden an den Schienbeinen und am mittleren volaren Unterarm getestet.

Die thermischen Tests umfassten die Messung der Wärme-Wahrnehmungsschwelle (warm sensation threshold, WST), der Kälte-Wahrnehmungsschwelle (cold sensation threshold, CST) und der Wärmeschmerzschwelle (heat-pain threshold, HPT) als Indikatoren für die Funktion der STTC. Die Wissenschaftler verwendeten das Q-Sense mit CPM von Medoc zur Applikation von Wärme und Kälte. Das System verfügt über zwei Thermoden mit einer aktiven Fläche von 30 x 30 mm.

Die Gruppe untersuchte auch die mechanische Erkennungsschwelle (MDT) als Indikator für die Funktion der dorsalen Säule und der medialen Lemniskusbahn. Die Hyperpathie wurde mit dem Grenzwerttest in der Wärmerichtung getestet. Die TGI wurde mit zwei Thermoden getestet, wobei die Temperatur der einen Thermode anstieg und die der anderen abfiel.

Wie sich Patienten mit zentralem neuropathischem Schmerz von solchen ohne unterscheiden

Die Experimente zeigten, dass Patienten mit CNP eine höhere Wärme-Wahrnehmungsschwelle (WST) im schmerzhaften Bein im Vergleich zum schmerzfreien Bein in der gleichen Gruppe und im Vergleich zu Nicht-CNP- und gesunden Probanden an der gleichen Körperstelle hatten. Schmerzfreie MS-Patienten unterschieden sich jedoch auch in der WST signifikant von gesunden Kontrollpersonen. Ein ähnliches Muster beobachteten die Forscher an den Händen.

Die Kälte-Wahrnehmungsschwelle (CST) ergab ähnliche Ergebnisse. Patienten mit CNP hatten höhere Schwellenwerte in den schmerzhaften Beinen und Händen im Vergleich zu schmerzfreien Beinen und Händen in derselben Gruppe und den beiden anderen Gruppen. Schmerzfreie MS-Patienten hatten bei der CST ebenfalls höhere Schwellenwerte als gesunde Kontrollpersonen.

Die TGI-Wärme- und Kälteschwellen waren bei den CNP-Patienten am schmerzhaften Bein signifikant höher als am nicht schmerzhaften Bein und höher als bei den Nicht-CNP-Patienten und den gesunden Kontrollpersonen.

Abnorme Empfindungen

Die Hyperpathie war bei den schmerzhaften Beinen und Händen der CNP-Patienten höher als bei den anderen Gruppen. Interessanterweise war die Prävalenz der Hyperpathie umso größer, je stärker die Wärmeschwelle beeinträchtigt war.

CNP-Merkmale und sensorisches Profil

Bei MS-Patienten mit CNP gab es sowohl in den Beinen als auch in den Armen signifikante thermische sensorische Defizite, während bei schmerzfreien MS-Patienten nur in den Beinen Defizite festgestellt wurden.

Von allen sensorischen Variablen war nur ein höherer CST-Wert signifikant mit einer höheren Prävalenz von CNP verbunden.

Die Forscher stellten außerdem fest, dass der Schweregrad und die Prävalenz der CNP umso größer waren, je höher die Schmerzerregbarkeit war.

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass CNP bei MS durch eine spezifische Beeinträchtigung der STTC-Funktion und eine Schmerzerregbarkeit gekennzeichnet ist. Daher können Maßnahmen zur Verringerung der Erregbarkeit den Schweregrad der CNP abmildern.

Referenzen:

(IASP)., I. A. (1994). Classification of chronic pain: Description of chronic pain syndromes and definitions of pain terms (2nd ed.) . Seattle:: IASP.

Korn, T. (2008). Pathophysiology of multiple sclerosis. Journal of neurology, 2-6.

Rivel, M. A. (2021). Central neuropathic pain in multiple sclerosis is associated with impaired innocuous thermal pathways and neuronal hyperexcitability. Pain Medicine, 2311-2323.

Solaro, C. T. (2013). Pain and multiple sclerosis: pathophysiology and treatment. Current neurology and neuroscience reports, 1-9.

01.05.22

Parkinson-Krankheit: Hängen Temperaturgefühl und Gleichgewichtssinn zusammen?

Die Parkinson-Krankheit wird in erster Linie durch den Zelltod dopaminproduzierender Neuronen in der Substantia nigra, einem Teil des Basalganglienkreislaufs, verursacht. Zudem wurde bei Parkinson auch über eine Verschlechterung anderer neuronaler Strukturen und Bahnen berichtet (Dauer, 2003).

Bei Morbus Parkinson stehen die wichtigsten klinischen Beschwerden in Zusammenhang mit der motorischen Kontrolle. Diese sind zum Beispiel Steifheit, Bradykinesie oder Ruhetremor. Andere Parkinson-Probleme betreffen die Mimik, die Sprache, die Stimmung und die kognitiven Fähigkeiten. Darüber hinaus wird über Probleme bei der Haltungs- und Gleichgewichtskontrolle berichtet (Dauer, 2003). Der Zusammenhang zwischen der Funktion der peripheren Nerven und der Haltungskontrolle bei dieser Krankheit wurde jedoch noch wenig erforscht (Qiu, 2020).

Qiu et al. vom Nanjing Brain Hospital in China untersuchten die Funktion der peripheren Nerven bei Parkinson-Patienten.

Aufbau der Studie

Es wurden 50 Patienten mit Morbus Parkinson und 50 alters- und geschlechtsgleiche gesunde Kontrollpersonen ausgewählt. Zu Vergleichszwecken wurden die Folsäure- und B12-Werte gemessen. Gleichgewicht und Gang wurden über die Tinetti-Skala bewertet. Mit Hilfe von Oberflächen-Elektroneurographie wurde die periphere motorische und sensorische Nervenfunktion des dominanten Beins getestet. Die Propriozeption der unteren Extremität wurde fünfmal unter Variation von drei Kniepositionen im Sitzen getestet. Der Tastsinn wurde an zehn verschiedenen Stellen des Fußes mit Monofilamenten getestet.

Die sensorische Funktion der peripheren kleinen Nervenfasern wurde mittels quantitativer sensorischer Tests (QST) auf dem Dorsum des dominanten Fußes beurteilt. Für das Temperaturempfinden wurde der TSA-II von Medoc erwendet, um die Schwellwerte für das Kälte- und das Wärmeempfinden zu ermitteln. Die Nozizeption wurde mit der Grenzwertmethode für wärme- und kälteinduzierte Schmerzen getestet.

Wie sich die Funktion der peripheren Nerven bei Parkinson-Patienten unterscheidet

Obwohl sich die Morbus-Parkinson-Patienten meist im Frühstadium ihrer Krankheit befanden (durchschnittlicher Hoehn-Yahr-Score 1,5 ± 1,0) und leichte bis mittelschwere Morbus-Parkinson-Symptome aufwiesen, wichen sie in mehreren Bereichen von den Kontrollpersonen ab. Sowohl der B12- als auch der Folsäurespiegel waren bei den Parkinson-Patienten signifikant niedriger, obwohl sie noch im Normalbereich lagen. Ebenso waren die Nervenleitfähigkeitsuntersuchungen sowohl der motorischen als auch der sensorischen Nerven bei Parkinson-Patienten deutlich langsamer als bei den Kontrollpersonen. Auch die Haltungskontrolle und das Tastempfinden waren bei Parkinson-Patienten vermindert.

Interessanterweise gab es bei den Schwellwerten für Kälte- und Wärmewahrnehmung signifikante Unterschiede zwischen den Morbus-Parkinson-Patienten und der Kontrollgruppe, die auf eine Unempfindlichkeit gegenüber Wärmewahrnehmung bei Morbus-Parkinson-Patienten hinweisen. Auch die Berührungsempfindlichkeit war betroffen, was sich bei Morbus Parkinson durch eine signifikante Abnahme der Empfindung zeigte. Bei den Schwellwerten für wärme- und kälteinduzierte Schmerzen war keine signifikante Änderung festzustellen.

Was hat das Wärmeempfinden mit dem Gleichgewicht zu tun?

Die Korrelationsanalyse zeigte, dass Parkinson-Patienten mit einer höheren Kälteempfindlichkeit auch bessere Gleichgewichtswerte aufwiesen. Bei den thermischen Schmerzschwellen wurden erhöhte Schwellwerte (geringere Empfindlichkeit gegenüber thermischem Schmerz) mit einem verminderten Gleichgewicht bei Parkinson-Patienten in Verbindung gebracht, nicht jedoch bei gesunden Kontrollpersonen.

Diese Studie zeigte Defizite bei der thermischen Wahrnehmung und dem thermischen Schmerzempfinden bei Patienten mit Parkinson. Diese Defizite gingen mit einer Störung anderer sensorischer und peripherer motorischer Nervenfunktionen einher. Obwohl die thermischen Schwellwerte auf den ersten Blick scheinbar nicht mit dem Gleichgewicht und dem Gang in Zusammenhang stehen, sind die thermischen Funktionen mit diesen für die Aktivitäten des täglichen Lebens wichtigen Fähigkeiten offenbar verbunden.

Referenzen:

Dauer, W. &. (2003). Parkinson's disease: mechanisms and models. Neuron, 889-909.

Qiu, F. W. (2020). Qiu, F., Wu, Y., Cao, H., LiuChanges of Peripheral Nerve Function and Vitamin B12 Level in People With Parkinson's Disease. Frontiers in neurology, 1325.

21.03.22

Lassen sich Phantomschmerzen durch die Schmerzempfindlichkeit im Gesicht vorhersagen?

Phantomschmerzen sind Schmerzen, die für Gliedmaßen nach deren Amputation empfunden werden (Hanyu-Deutmeyer AA, 2022). Die Phantomschmerzen unterscheiden sich dabei von Stumpfschmerzen, die am Stumpf selbst empfunden werden.

Phantomschmerzen sind eine der am weitesten verbreiteten negativen Auswirkungen nach einer Gliedmaßenamputation und betreffen etwa 64 % der operierten Patienten (Limakatso, 2020).

Mehrere Umstände können das Risiko für Phantomschmerzen erhöhen, u.a. der Stumpfschmerz, eine traumatische Amputation, die proximale Amputationsstelle, Phantomempfindungen und spezifische Bewältigungsstrategien (Limakatso, 2020). Chronischer Phantomschmerz kann sowohl durch periphere als auch durch zentrale Mechanismen ausgelöst werden (Hanyu-Deutmeyer AA, 2022).

In einer Studie aus dem Jahr 2022 untersuchten Fuchs et al. (Fuchs, 2022), ob einseitig oberschenkelamputierte Menschen mit und ohne Phantomschmerzen sensorische Veränderungen nur am Stumpf aufweisen, was auf periphere Prozesse hinweisen würde, oder auch an anderen Körperstellen, was auf zentrale Prozesse hindeuten könnte. Außerdem sollte untersucht werden, ob die sensorischen Veränderungen mit dem Vorhandensein von Phantomschmerzen oder deren Intensität zusammenhängen.

Teilnehmer der Studie

Insgesamt wurden 37 einseitig oberschenkelamputierte Personen mit und ohne Phantomschmerz sowie 19 gesunde Kontrollpersonen rekrutiert. Die Phantomschmerzen wurden anhand der Phantomschmerz-Skala des Multidimensional Pain Inventory bewertet. Patienten mit einem Wert von Null bei der Schmerzintensität wurden als Patienten ohne Phantomschmerzen eingestuft (N=14), während Patienten mit einem höheren Wert als Patienten mit Phantomschmerzen galten (N=23).

Modalitäten der quantitativen sensorischen Testung

Quantitative sensorische Tests (QST) wurden mit dem Medoc PATHWAY zur thermischen Prüfung der Hitzeschmerzschwelle und der Wärmewahrnehmung durchgeführt. Das digitale Algometer „AlgoMed“ von Medoc wurde zur Prüfung der Druckschmerzschwelle verwendet. Die Zweipunkt-Unterscheidungsschwellen wurden mit 28 kalibrierten Tastzirkeln mit einer Schrittweite von 3 mm ermittelt.

Tests an verschiedenen Körperstellen

Alle Patienten wurden an beiden Mundwinkeln auf der behaarten Haut, am kontralateralen Daumen, am Stumpf (5 cm vom Stumpfrand und außerhalb des Narbengewebes) und an der homologen Stelle am kontralateralen Arm getestet. Die Kontrollpersonen wurden an den gleichen Teststellen wie die Patienten untersucht.

Unterschiede zwischen den Körperstellen

Der Vergleich der sensorischen Schwellwerte (Wärmewahrnehmung, Hitzeschmerz und Druckschmerz) zwischen den Gruppen ergab in der ersten Analyse keine signifikanten Unterschiede an einer der Körperstellen.

Die Messungen der Druckschmerzschwelle unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen, aber signifikant zwischen den Körperstellen. Zwischen den beiden Mundwinkeln gab es jedoch keine Unterschiede. Der Post-hoc-Test zeigte, dass die Druckschmerzschwelle am ipsilateralen Arm signifikant niedriger war als am kontralateralen Arm.

Sowohl die Hitzeschmerzschwelle als auch die Druckschmerzschwelle waren am Stumpf signifikant niedriger als am kontralateralen Arm, und zwar bei allen Patienten unabhängig von der Phantomschmerzen-Intensität.

Welches Maß sagt die Intensität der Phantomschmerzen voraus?

Eine weitere Untersuchung der Phantomschmerzen-Intensität ergab, dass Patienten mit einer höheren Phantomschmerzen-Intensität an allen Körperstellen mit Ausnahme des ipsilateralen Stumpfes niedrigere Hitzeschmerzschwellen aufwiesen. Die multiple Regressionsanalyse ergab, dass die Phantomschmerzen-Intensität zu einem großen Teil durch die sensorischen Schwellenwerte am kontralateralen Mundwinkel vorhergesagt werden konnte. Es wurde ein Anstieg der Schwellenwerte für die Wärmedetektion in Verbindung mit einem Rückgang der Schwellenwerte für den Hitzeschmerz festgestellt.

Unterschied zwischen Phantomschmerzen und Restschmerz der Gliedmaßen

Ein linear gemischtes Modell zur statistischen Vorhersage von Phantomschmerzen und Restschmerz der Gliedmaßen zeigte, dass die Schmerzintensität der Phantomschmerzen signifikant und invers mit der Hitzeschmerzschwelle am Mund korreliert war, während der Stumpfschmerz signifikant und invers mit der Wärmeschwelle am Stumpf korrelierte. Dieser Unterschied deutet möglicherweise auf getrennte Mechanismen hin, die jeweils zu veränderten Hitzeschmerzschwellen auf der Grundlage von peripheren bzw. zentralen Mechanismen beitragen.

Die Tatsache, dass die Hitzeschmerzschwelle an beiden Mundwinkeln signifikant niedriger war, kann nicht durch eine plastische Reorganisation des S1-Kortex erklärt werden, da dies zu einzigartigen einseitigen Veränderungen geführt hätte. Dies deutet eher auf andere zentrale Veränderungen als auf eine S1-Umstrukturierung hin.

Phantomschmerzen scheinen mit der zentralen Schmerzverarbeitung verbunden zu sein. Die genauen Mechanismen der Sensibilisierung müssen jedoch noch weiter erforscht werden.

Referenzen:

Fuchs, X. D.‐B. (2022). Phantom limb pain after unilateral arm amputation is associated with decreased heat pain thresholds in the face. European Journal of Pain, 114-132.

Hanyu-Deutmeyer AA, C. M. (2022, January). Phantom Limb Pain.

Limakatso, K. B. (2020). The prevalence and risk factors for phantom limb pain in people with amputations: a systematic review and meta-analysis. PloS one, e0240431.

15.02.22

Auswirkungen der Adipositaschirurgie auf die diabetische Neuropathie

Kann Adipositaschirurgie eine diabetische Neuropathie rückgängig machen? Eine neue Studie deutet darauf hin [1].

Adipositaschirurgie bei Fettleibigkeit

Mit dem Anstieg der Adipositasraten stieg auch die Popularität der Adipositaschirurgie. Im Jahr 2019 wurden allein in den Vereinigten Staaten mehr als 250.000 Operationen zur Gewichtsreduktion gemeldet [3].

Neben der Gewichtsabnahme bietet diese Operation auch langfristige Vorteile wie die Remission von Typ-2-Diabetes und die Verringerung der Inzidenz makrovaskulärer Ereignisse [1].

Allerdings untersuchten nur wenige Studien eine der frühen mikrovaskulären Folgen: die Neuropathie.

Um diese Lücke zu schließen, untersuchten Adam et al. die Auswirkungen einer Adipositas-Operation über 12 Monate auf mikrovaskuläre Komplikationen, insbesondere Neuropathien, bei fettleibigen Patienten mit Typ-2-Diabetes [1].

Neuropathie-Tests

In dieser Studie wurden 26 fettleibige Patienten mit Typ-2-Diabetes vor und 12 Monate nach einer gewichtsreduzierenden Operation untersucht.

Zu den Untersuchungen gehörten der Body-Mass-Index (BMI), der übermäßige BMI-Verlust (EBMIL), der Blutdruck und die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). Die Teilnehmer gaben außerdem Blut- und Morgenurinproben für biochemische Analysen ab.

Mit dem Fragebogen zum Neuropathie-Symptom-Profil wurden sensorische, motorische und autonome Neuropathie-Symptome bewertet. Zusätzlich bewerteten die Forscher die Temperatur- und Vibrationswahrnehmung sowie die Knöchelreflexe, um den Neuropathy Disability Score zu berechnen. Die Morphologie der kleinen Hornhautfasern wurde mit Hilfe konfokaler Hornhautmikroskopie (CCM) untersucht.

Die thermischen Schwellenwerte für Kälte und Wärme wurden mit dem TSA-II NeuroSensory Analyser von Medoc am S1-Dermatom des linken Fußes gemessen.

Ergebnisse der Behandlung

Durch die Operation konnte der BMI der Patienten nach 12 Monaten erfolgreich gesenkt werden. Der mittlere EBMIL lag bei 61 ±16 %.

Bei etwa 80 % der Patienten kam es zu einer vollständigen Remission des Diabetes. Blutdruck und HbA1C sanken deutlich. Die Cholesterinwerte hoher Dichte stiegen ebenfalls an.

Sechs der 26 Teilnehmer hatten zu Beginn der Behandlung eine diabetische Neuropathie, die mit dem Neuropathy Disability Score gemessen wurde. Über somatosensorische Veränderungen bei Adipositas wurde auch in anderen Studien berichtet, in denen adipöse Patienten offenbar veränderte thermische Schwellenwerte aufwiesen. Iqbal et al. zeigten beispielsweise, dass fettleibige Patienten höhere Wärmeschwellen als normal gewichtige Personen hatten [5].

Verbesserung der Neuropathie

12 Monate nach der Adipositaschirurgie zeigte sich eine signifikante Verbesserung im Neuropathie-Symptom-Profil-Fragebogen. Es gab auch Verbesserungen bei der Hornhautnervenfaserdichte, der Nervenastdichte und der Nervenfaserlänge. Es gab jedoch weder eine Veränderung der Vibrations-, Kälte- oder Wärmewahrnehmung, gemessen durch quantitative sensorische Tests (QST), noch eine Verbesserung der Retinopathie.

Rückgängigmachung von Diabetes und Neuropathie?

Adam et al. wiesen den Hauptnutzen der Adipositaschirurgie nach: Gewichtsverlust und Rückbildung des Typ-2-Diabetes. In dieser Studie scheinen die subjektiven Berichte der Patienten über Anzeichen von Neuropathie vielversprechend für das Potenzial der gewichtsreduzierenden Chirurgie zur Umkehrung der Neuropathie. Diese Berichte wurden jedoch nicht durch Veränderungen der QST untermauert [1]. Ebenso zeigten Azmi et al. eine Verbesserung der Neuropathiesymptome, aber keine Veränderung der Wahrnehmungsschwellen 12 Monate nach den Operationen. Die Autoren dieser Studie argumentierten, dass das Ausbleiben von Veränderungen bei der QST möglicherweise auf die Notwendigkeit einer längeren Nachbeobachtung zurückzuführen sei [2]. Auch die Studie von Igbal et al. fand ein Jahr nach einer Adipositaschirurgie bei adipösen Patienten keine Veränderung der Wahrnehmungsschwellen [5]. Im Gegensatz zu den anderen Studien fanden Iqbal et al. auch keine Veränderungen bei den von den Patienten angegebenen Neuropathie-Beschwerden wie dem Neuropathy Disability Score oder dem Neuropathie-Symptom-Profil.

Interessanterweise hatten die Patienten in keiner der genannten Studien bei der 12-monatigen Nachbeobachtung Normalgewicht (BMI zwischen 18,5-24,9 kg/m2) erreicht (Healthy Weight Nutrition and Physical Activity - Assessing your Weight, 2020). Eine längere Nachbeobachtung dieser Patienten bis zum Erreichen des Normalgewichts könnte andere Ergebnisse in Bezug auf die thermischen Schwellenwerte zeigen.

Referenzen:

[1] Adam, S. A. (2021). Improvements in diabetic neuropathy and nephropathy after bariatric surgery: a prospective cohort study. Obesity surgery, 554-563.

[2] Azmi, S. F. (2021). Bariatric surgery leads to an improvement in small nerve fibre damage in subjects with obesity. International Journal of Obesity, 631-638.

[3] Estimate of Bariatric Surgery Numbers, 2011-2019. (2021, March). Retrieved from The American Society for Bariatric and Metabolic Surgeries.

[4] Healthy Weight Nutrition and Physical Activity-Assessing your Weight. (2020, September). Retrieved from Centers for Disease Control and Prevention.

[5] Iqbal, Z.K. (2021). Corneal keratocyte density and corneal nerves are reduced in patients with severe obesity and improve after bariatric surgery. Investigative ophthalmology, 1-8.

25.01.22

Achtsamkeitsübungen bei Schmerzen, gut oder schlecht?

Achtsamkeit als Technik

Die Praxis der Achtsamkeitsmeditation hat ihren Ursprung im östlichen Zen-Buddhismus, in der Vipassana- und Yoga-Praxis (Kabat-Zinn, 1985) und wurde in den siebziger Jahren in die klinische Praxis eingeführt.

Hilton et al. (Hilton L, 2017) beschreiben in ihrer Arbeit über die Interventionen in der Achtsamkeitsmeditation bei chronischen Schmerzen, dass die Meditation „eine Aufmerksamkeitshaltung der losgelösten Beobachtung“ ermöglicht und durch „Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Moment mit Offenheit, Neugierde und Akzeptanz“ gekennzeichnet ist.

Die Refraktärität bei chronischen Schmerzen und der natürliche Wunsch der Patienten, eine gewisse Kontrolle über ihre Schmerzerfahrung auszuüben, haben die Achtsamkeitspraxis ins Rampenlicht der klinischen Schmerzforschung und -behandlung gerückt.

Kann Achtsamkeit ein angeborener Charakterzug sein?

Die Achtsamkeit ist eine Technik, die trainiert werden kann. Manche Menschen haben jedoch angeborene Merkmale von Achtsamkeit, die dazu führen, dass sie den Schmerz im gegenwärtigen Moment und mit wenig emotionalen Attributen erleben.

Harrison et al. (Harrison, 2019) untersuchten diese Merkmale von Achtsamkeit mit Hilfe von thermischen Schwellentests und funktioneller Magnetresonanztomographie bei Probanden, die die Achtsamkeitsmeditation nicht anwendeten.

In dieser Studie wurden 45 gesunde Teilnehmer rekrutiert und hinsichtlich ihrer Schmerzreaktivität und schmerzbezogener psychologischer Faktoren beurteilt. Dabei wurden die Pain Catastrophizing Scale (PCS) (Sullivan, 1995) gemessen und die Merkmale von Achtsamkeit beurteilt, die mit dem Five Facet Mindfulness Questionnaire (FFMQ) (Baer, 2006) ermittelt wurden.

Die Teilnehmer unterzogen sich einem Hitzeschmerzschwellentest unter Verwendung des Medoc Pathway. Dabei wurde der Mittelwert der Schmerzschwellen zweier Methoden (Level und Limits) errechnet.

Von allen Teilnehmern wurden funktionelle MRT-Bilder im Ruhezustand aufgenommen. Dabei wurde der Precuneus-Kortex als eine Default-Mode-Netzwerkregion für eine Seed-basierte Analyse der funktionellen Konnektivität des gesamten Gehirns ausgewählt.

Die Autoren fanden heraus, dass ein höherer Grad an Achtsamkeit signifikant mit höheren Schmerzschwellen korreliert war. D. h. Schmerzen wurden erst bei einer höheren Temperatur wahrgenommen, und eine höhere Achtsamkeit war mit dem Maß der Schmerz-Katastrophisierung korreliert. Die Schmerz-Katastrophisierung war jedoch nicht direkt mit der Schmerzschwelle korreliert.

Die Analyse der Bildgebungsdaten ergab, dass Achtsamkeit mit der Konnektivität des Precuneus-Default-Mode-Netzwerks mit den somatosensorischen Kortizes, aber auch mit einer schwächeren Konnektivität mit dem medialen präfrontalen Kortex verbunden war.

Die Merkmale von Achtsamkeit scheinen sowohl an der emotionalen als auch an der somatosensorischen Verarbeitung beteiligt zu sein und hinterlassen ihre Spuren in der funktionellen Konnektivität, wie die Unterschiede in der Default-Mode-Netzwerkkonnektivität zwischen „Achtsamen“ und „Nicht-Achtsamen“ zeigen.

Achtsamkeit und chronische Schmerzen

Aber wie wirkt sich Achtsamkeit auf chronische Schmerzen aus? Wells et al. (Wells, 2021) untersuchten die Wirkung bei Migränepatienten, die acht Wochen lang jede Woche zwei Stunden lang entweder mit Achtsamkeitsmeditation behandelt wurden oder bei einer Kopfschmerzschulung teilnahmen.

Die Studie umfasste 89 Patienten mit unterschiedlichen Häufigkeiten der monatlichen Kopfschmerzen. Zu den Messgrößen, die in diese Untersuchung einbezogen wurden, gehörten die Anzahl der Tage innerhalb eines Monats mit Kopfschmerzen, die Kopfschmerzsymptome und die Medikamenteneinnahme. Außerdem wurden verschiedene Fragebögen zum Wohlbefinden, zu Depressionen und zur Lebensqualität ausgewertet.

Darüber hinaus wurden den Patienten an Tagen ohne Kopfschmerzen mit einer TSA-II-Thermode (16*16 mm) eine Reihe von schmerzhaften Wärmereizen zwischen 43 und 49°C appliziert, woraufhin sie ihre Schmerzen anhand einer visuellen Analogskala bewerten sollten.

Bemerkenswerterweise unterschied sich die Achtsamkeitsmeditation nicht signifikant von der Kopfschmerzschulung hinsichtlich der Tage mit Kopfschmerzen. Im Gegensatz dazu schienen andere Maßnahmen die Wirkung dieser Intervention zu vermindern, insbesondere Fragebögen zur Bewertung von Behinderung, Schmerzkatastrophisierung, Depression, Lebensqualität und Selbstwirksamkeit. Die Analyse der Daten der quantitativen sensorischen Tests (QST) zeigte, dass eine Intervention durch Achtsamkeitsmeditation zu einer Verringerung sowohl der Schmerzwahrnehmung als auch der Schmerzintensität führte. Diese Linderung war bei der Kopfschmerzschulung nicht festzustellen.

Achtsamkeit und endogene Schmerzmodulation

Tsur et al. (Tsur, 2021) untersuchten die Wirkung von Achtsamkeit auf die zentrale Schmerzverarbeitung. Die Autoren rekrutierten 60 gesunde Freiwillige, die nach dem Zufallsprinzip in eine Gruppe „Schmerzspezifische Achtsamkeit“, eine Gruppe „Unspezifische Achtsamkeit“ und eine Kontrollgruppe eingeteilt wurden.

Die Gruppe, die auf Schmerz achten sollte, wurde durch zwei 2,5-minütige Serien von Schmerzreizen unterschiedlicher Intensität aus dem Bereich des heißen und des kalten Schmerzes in Achtsamkeit gegenüber Schmerzen geschult. Während der ersten Serie wurden sie gebeten, ihre Schmerzen auf einer Skala zwischen 0 und 10 zu bewerten (0 bedeutet kein Schmerz, 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung). Während der zweiten Serie wurden sie aufgefordert, gezielt auf ihre Schmerzempfindungen zu achten.

Die zweite Achtsamkeitsgruppe erhielt die Aufgabe, 5 Minuten lang Unterschiede zwischen zwei fast identischen Bildern zu finden. Die Kontrollgruppe hatte die Aufgabe, 5 Minuten lang auf einem leeren Blatt Papier zu zeichnen.

Ein konditioniertes Schmerzmodulationsparadigma (CPM), bei dem Kontaktwärme in der Intensität auf der Skala von 5-6 (gemessen mit der VAS-Skala von Medoc) als Testreiz und ein heißes Wasserbad (46°C) als Konditionierungsreiz verwendet wurden, wurde zweimal in kurzen Abständen durchgeführt. Das erste CPM-Paradigma wurde mit einem starken Konditionierungsreiz und das zweite Paradigma mit einem weniger intensiven Konditionierungsreiz durchgeführt. Das kurze Intervall zwischen den CPM-Paradigmen und der mildere Konditionierungsreiz wurden eingesetzt, um im zweiten Paradigma ein „mangelhaftes" CPM zu imitieren. Die drei Gruppen – „Schmerzspezifische Achtsamkeit“, „Unspezifische Achtsamkeit“ und Kontrollgruppe - wurden hinsichtlich des Rückgangs der CPM-Effizienz verglichen. Die CPM-Wirksamkeit oder -Größe ist das Maß für die Schmerzhemmung durch das CPM-Protokoll. Je „negativer" diese Zahl ist, desto wirksamer ist die absteigende Schmerzmodulation. Interessanterweise nahm die CPM-Wirksamkeit nur in der Kontrollgruppe signifikant ab, während in den beiden Achtsamkeitsgruppen die CPM-Wirkung aufrechterhalten wurde.

Hemmt Achtsamkeitsmeditation den Schmerz über absteigende Opioid-Pfade?

Eine andere Arbeitsgruppe (Zeidan, 2016) untersuchte den Zusammenhang zwischen Achtsamkeitsmeditation und endogener opioidbasierter Schmerzhemmung. Für ihre Studie wurden 95 gesunde Freiwillige rekrutiert. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen eingeteilt: Achtsamkeit + Naloxon, Achtsamkeit + Kochsalzlösung, Kontrolle + Naloxon, Kontrolle + Kochsalzlösung. Naloxon ist ein Opioidrezeptor-Antagonist, von dem bekannt ist, dass er die Auswirkungen der konditionierten Schmerzmodulation umkehrt.

Für die Achtsamkeitsgruppe bestand das Achtsamkeitstraining aus vier Trainingstagen, an denen die Teilnehmer 20 Minuten lang in Achtsamkeitsmeditation geschult und angeleitet wurden.

Die Kontrollgruppe hörte vier Tage lang täglich 20 Minuten lang ein Naturkundebuch.

Alle Teilnehmer wurden mit dem Medoc TSA-II zehn abwechselnden Plateaus von 35 und 49°C Kontaktwärme mit einer Dauer von 12 Sekunden ausgesetzt. Anschließend wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Schmerzintensität und ihr Schmerzempfinden auf einer Skala zwischen 0 - „kein Schmerzempfinden/überhaupt nicht unangenehm“ und 10 - „stärkstes vorstellbares Schmerzempfinden/unangenehmstes vorstellbares Gefühl“ zu bewerten.

Vor der Verabreichung von Naloxon bzw. Kochsalzlösung wurden die Teilnehmer zwei Hitzeschmerzserien unterzogen, bei denen sie ihre Schmerzen auf der oben aufgeführten Skala nach Intensität und Wahrnehmung bewerteten. Nach der Verabreichung erhielten die Probanden zwei weitere Serien von Hitzeschmerzreizen, während derer die Achtsamkeitsgruppe zur Meditation und die Kontrollgruppe zur Ruhe angehalten wurde.

Bemerkenswert ist, dass Achtsamkeit + Kochsalzlösung die Schmerzintensität wirksam verringerte, und zwar statistisch signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe + Kochsalzlösung, bei der die Schmerzintensität umgekehrt sogar zunahm.

Unter beiden Bedingungen, Achtsamkeit + Kochsalzlösung und Achtsamkeit + Naloxon, kam es zu einer Schmerzreduktion, wobei kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Bedingungen festgestellt wurde. Darüber hinaus gab es eine statistisch signifikante Reduktion unter der Bedingung Achtsamkeit + Naloxon im Vergleich zur Kontrolle mit Kochsalzlösung und der Kontrolle mit Naloxon.

Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die unter dem Einfluss von Achtsamkeit erlebte Schmerzreduktion nicht mit dem endogenen Opioidsystem zusammenhängt, wie es klassischerweise mit konditionierter Schmerzmodulation getestet wird. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass das in dieser Studie verwendete Paradigma keinen konditionierenden Stimulus enthielt und daher möglicherweise nicht die absteigende Hemmung durch diffuse noxische inhibitorische Kontrollen aktiviert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wirkungsweise der Schmerzlinderung durch Achtsamkeit zwar noch nicht vollständig geklärt ist, dass es sich aber für diejenigen, für die Achtsamkeit keine angeborene Eigenschaft ist, auf jeden Fall lohnt, sie auszuprobieren.

Referenzen:

Baer, R. A. (2006). Using self-report assessment methods to explore facets of mindfulness. Assessment, 27-45.

Harrison, R. Z. (2019). Trait mindfulness is associated with lower pain reactivity and connectivity of the default mode network. The Journal of Pain, 645-654.

Hilton L, H. S. (2017). Mindfulness meditation for chronic pain: systematic review and meta-analysis. Annals of Behavioral Medicine, 199-213.

Kabat-Zinn, J. L. (1985). The clinical use of mindfulness meditation for the self-regulation of chronic pain. Journal of behavioral medicine, 163-190.

Sullivan, M. B. (1995). The Pain Catastrophizing Scale: Development and Validation. Psychol Assess, 524-532.

Tsur, N. D. (2021). The effect of mindful attention training for pain modulation capacity: Exploring the mindfulness–pain link. Journal of clinical psychology, 896-909.

Wells, R. E. (2021). Effectiveness of mindfulness meditation vs headache education for adults with migraine: a randomized clinical trial. JAMA Internal Medicine, 317-328.

Zeidan, F. A.-N. (2016). Mindfulness-Meditation-Based Pain Relief Is Not Mediated by Endogenous Opioids. The Journal of Neuroscience, 3391–3397.

19.01.22

Die ethnische Übereinstimmung zwischen Patient und Arzt kann das Schmerzempfinden beeinflussen

Gibt es einen Unterschied in der Schmerzwahrnehmung, wenn ein Patient von einem Arzt aus der gleichen ethnischen Gruppe behandelt wird? Anderson et al. gingen dieser Frage nach [2].

Hintergrund

Schmerz ist eine subjektive Erfahrung, da er von der persönlichen Einschätzung abhängt. Zudem zeigen Studien, dass verschiedene Gruppen Schmerzen unterschiedlich beschreiben und wahrnehmen können. Auch die ethnische Zugehörigkeit beeinflusst, wie Patienten mit ihren Schmerzen umgehen [1].

Schmerz ist also nicht nur eine unangenehme Empfindung, sondern kann als soziokulturelles Phänomen betrachtet werden [1].

Angehörige ethnischer Minderheiten berichten in klinischen und experimentellen Untersuchungen häufig über stärkere Schmerzen. Außerdem erhalten sie im Vergleich zu weißen Patienten häufiger eine unzureichende Schmerzbehandlung [2].

Ein Verständnis dieser Beobachtungen kann Gesundheitsdienstleistern helfen, Fehleinschätzungen der Schmerzen von Patienten zu vermeiden und so eine bessere Versorgung zu gewährleisten [1].

Um diesen Sachverhalt näher zu beleuchten, untersuchten Anderson et al. die ethnische Konkordanz zwischen Patienten und Ärzten und ihren Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung [2].

Studienaufbau

107 gesunde Erwachsene (davon 47 Frauen und insgesamt 37 Dunkelhäutige, 34 hispanische Weiße, 36 nicht-hispanische Weiße) im Alter zwischen 18 und 30 Jahren nahmen an der Studie als Patienten teil. Insgesamt 13 gesunde Erwachsene (6 Frauen; 5 Dunkelhäutige, 4 hispanische Weiße, 4 nicht-hispanische Weiße) im Alter zwischen 19 und 22 Jahren spielten die Rolle von Ärzten.

Die Hälfte der Patienten wurde nach dem Zufallsprinzip einem Arzt zugewiesen, der ihre ethnische Identität teilte (konkordant), während die andere Hälfte einem Arzt zugewiesen wurde, der nicht konkordant war.

Etwa zwei Wochen vor dem Experiment füllten die Patienten einen Online-Fragebogen zu Ihrer Herkunft, der persönlichen Wahrnehmung von Schmerz und ihrer Ethnie aus. Die Teilnehmer machten auch Angaben zu ihrer Krankengeschichte und erhielten Informationen darüber, wie sie Schmerzen während des medizinischen Eingriffs bewerten sollten.

Jeder Patient nahm an einer simulierten klinischen Interaktion mit einem Arzt teil. Jeder Arzt hatte dabei mindestens acht Patienten. Alle Arzt-Patienten-Paare waren geschlechts- und altersgemischt.

Während der Simulation begannen die Ärzte mit der Messung der Wärmewahrnehmung und Hitzeschmerzschwellen der Patienten. Die Ausgangstemperatur der Thermode wurde auf 38 °C eingestellt. Die Temperatur stieg mit einer Geschwindigkeit von 0,5 °C/s auf maximal 51 °C an.

Die Bewertung der Schmerzschwellen bestand darin, dass eine Reihe von schmerzhaften, aber erträglichen Hitzereizen an vier gleichmäßig verteilten Stellen am Unterarm des Patienten über einen längeren Zeitraum appliziert wurde. Jeder Stimulus dauerte dabei etwa 8 Sekunden. Die Patienten erhielten während jeder Untersuchung bis zu 20 Wärmestimuli.

Für alle Stimuli verwendeten die Ärzte das Medoc Pathway Pain & Sensory Evaluation System (PATHWAY) mit einer 16x16 mm2 großen Thermode.

Die Patienten sowie die Ärzte füllten nach der Studie Fragebögen aus, in denen sie die Überzeugung von der Studie, deren Realitätsnähe und die Vertrautheit mit ihrem Interaktionspartner bewerteten. Beide Gruppen trugen Elektroden an Händen und Brust, um die physiologische Erregung zu messen.

Obwohl die Ärzte bei jeder Interaktion ein allgemeines Skript befolgten, konnten sie ihren eigenen klinischen Stil anwenden.

Ergebnisse

Die meisten Teilnehmer berichteten, dass sie die simulierten Interaktionen als realistisch empfanden und an das Ziel der Studie glaubten, das darin bestand, „ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, wie Menschen während der medizinischen Versorgung auf Schmerzen reagieren“.

Die ethnische Übereinstimmung zwischen Arzt und Patient verringerte die angegebene Schmerzintensität bei nicht-hispanischen dunkelhäutigen/afrikanischen Patienten. Bei nicht-hispanischen weißen Patienten verringerte sich die Intensität nicht.

Im Gegensatz dazu gaben hispanische Patienten mit einem Arzt aus der gleichen Ethnie eine nicht signifikant höhere Schmerzintensität an als Patienten mit einem Arzt aus einer anderen Ethnie.

Ein ethnisch übereinstimmender Arzt verringerte die schmerzinduzierte physiologische Erregung nur bei schwarzen Patienten.

Schließlich hatte die Konkordanz einen stärkeren Einfluss auf die schmerzinduzierte physiologische Erregung bei denjenigen, die über frühere Erfahrungen oder Bedenken hinsichtlich ethnischer Diskriminierung berichteten.

Fazit

Diese Ergebnisse ermöglichen der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein besseres Verständnis der soziokulturellen Faktoren, die die Schmerzwahrnehmung und -berichterstattung im medizinischen Umfeld beeinflussen. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass ein breites ethnisches Spektrum der Ärzte dazu beitragen könnte, die anhaltenden Ungleichheiten im Gesundheitswesen zu verringern. Weiter zur Publikation.

Referenzen:

[1] Krupić, Ferid, et al. "Ethnic differences in the perception of pain: a systematic review of qualitative and quantitative research." Medicinski Glasnik 16.1 (2019).

[2] Anderson, Steven R., et al. "Clinician–Patient Racial/Ethnic Concordance Influences Racial/Ethnic Minority Pain: Evidence from Simulated Clinical Interactions." Pain Medicine 21.11 (2020): 3109-3125.

15.11.21

Ist eine Vorhersage von schweren Nierenkomplikationen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes möglich?

Die diabetische Nierenerkrankung (diabetic kidney disease, DKD) ist eine bekannte und schwerwiegende Komplikation des Typ-2 Diabetes mellitus. Kann diese Komplikation durch einen einfachen und nicht-invasiven Test vorhergesagt werden? Fang et al. (2020) fanden heraus, dass dies möglich sein könnte.

Hintergrund:

Frühere Studien zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen der diabetischen Polyneuropathie und der diabetischen Nierenerkrankung. Die zeitliche Abfolge des Auftretens ist jedoch aktuell noch unklar. Fang et al. stellten nun die Hypothese auf, dass durch thermische Quantitative Sensorische Testung (QST) ein Indikator für einen Rückgang der Nierenfunktion bei Patienten mit Typ-2-Diabetes gefunden werden könnte.

Studienaufbau:

In der Studie, die etwas mehr als ein Jahr dauerte, wurden 432 Patienten des Chang Gung Memorial Hospitals in Keelung, Taiwan untersucht. Bei allen Patienten wurden ein biochemisches und mikrovaskuläres Screening sowie die thermische QST durchgeführt.

Die Schwellwerte für die sensorische Wahrnehmung wurden bilateral am Daumenballen und dorsolateral am Fuß sowohl für Wärme als auch für Kälte mit dem TSA-Gerät von Medoc gemessen.

Abweichenden Schwellenwerte wurden dabei mit 0 bis 8 Punkten bewertet. Es gab jeweils einen Punkt für jede abweichende Messung pro Gliedmaß und Modalität (Wärme und Kälte). Je mehr Gliedmaßen betroffen waren und je mehr Defizite festgestellt wurden, desto höher war also die Punktzahl.

Die Neuropathie wurde anhand der folgenden Kriterien diagnostiziert:

1) klinische Symptome wie Brennen, Parästhesie und Hyperästhesie

2) vermindertes Berührungs- und Vibrationsempfinden und Fehlen des Achillesreflexes

Die Diagnose der diabetischen Nierenerkrankung (DKD) wurde anhand von Albuminurie und der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) gestellt. Fortgeschrittene DKD wurde definiert mit einer eGFR kleiner 45 mL/min/1,73m².

Von den 432 untersuchten Patienten hatten 53 einen eGFR-Wert unterhalb von 45mL/min/1,73m².

Ergebnisse:

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass mehrere Faktoren von Bedeutung sind. Diabetesdauer, Alter, Triglyceridspiegel, Bluthochdruck und Störungen der Kältewahrnehmung in den unteren Gliedmaßen waren unabhängige prognostische Faktoren für eine fortgeschrittene DKD. Darüber hinaus korrelierten Abweichungen in der Wärmewahrnehmung der oberen Gliedmaßen sowie die Wärme- und Kältewahrnehmung der unteren Gliedmaßen deutlich mit einer Retinopathie. Alle untersuchten abweichenden Wärmewahrnehmungen wiesen eine negative Korrelation mit den eGFR-Werten auf. Die Abweichungen der Kältewahrnehmung der unteren Gliedmaßen korreliert mit dem Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis, einem Maß für die Nierenerkrankung als Folge des Diabetes.

Schlussfolgerung:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die thermische QST eine sensitive Möglichkeit bietet, die Identifizierung von Diabetes-Patienten mit dem Risiko einer diabetischen Nierenerkrankung vorzunehmen.

Quelle:

Fang, W. C., Chou, K. M., Sun, C. Y., Lee, C. C., Wu, I. W., Chen, Y. C., & Pan, H. C. (2020). Anomalien der thermischen Wahrnehmung können eine diabetische Nierenerkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 vorhersagen. Kidney and Blood Pressure Research, 45(6), 926-938.

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28.10.21

Bewertung von Neuropathien nach Brustkrebsoperationen - QST oder Bedside-Untersuchung?

In den USA erkranken etwa 13 % der Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs [1]. Die Behandlung von Brustkrebs umfasst Operationen, Bestrahlung, Immuntherapie, Hormontherapie und Chemotherapie, wobei häufig mehrere Methoden zum Einsatz kommen [2].

Frauen, die sich einer chirurgischen Entfernung von Krebsgewebe unterzogen haben, können mit lang anhaltenden sensorischen Defiziten und neuropathischen Schmerzen an der Operationsstelle zu kämpfen haben, die zum Teil mit der Art der Operation zusammenhängen und häufig auf die Behandlung des Nervus intercostobrachialis (ICBN) während der Operation zurückzuführen sind [3].

Sensorische Defizite können mit Hilfe von Bedside-Untersuchungen oder quantitativen sensorischen Tests (QST) erfasst und quantifiziert werden. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2020 untersuchten Mustonen et al. die sensorische Funktion bei Frauen, die mehrere Jahre nach der Operation an neuropathischen Schmerzen litten. Darüber hinaus wollten die Wissenschaftler beurteilen, welchen zusätzlichen Nutzen die QST gegenüber der üblichen Untersuchung haben könnte.

Die QST wurde nach dem Protokoll des Deutschen Forschungsnetzes für Neuropathischen Schmerz (DFNS) durchgeführt [4]. Das TSA-II von Medoc diente als Gerät zur Messung der Wärme- und Kälteempfindung, der thermisch-sensorischen Empfindungsschwellen, der paradoxen Wärmeempfindung sowie des Wärme- und Kälteschmerzes. Das Protokoll umfasste auch Druckschmerztests, Vibrationstests und mechanische Tests. Zur taktilen Stimulation kamen OptiHair2- und Pinprick-Stimulatoren der MRC Systems GmbH zum Einsatz. Bei der Bedside-Untersuchung am wurden leichte Berührung, dynamische mechanische Allodynie, statische Allodynie, scharfe Berührung sowie Wärme- und Kälteempfindung getestet.

Für die QST wurden die PatientInnen an der Operationsstelle jeweils dort getestet, wo die stärksten Beschwerden wegen neuropathischer Schmerzen auftraten. Zudem wurde an der kontralateralen Spiegelposition getestet. Es wurden die Schwellenwerte mit der nächstgelegenen Körperstelle am Rumpf verglichen. Abhängig davon, wo die stärkeren neuropathischen Beschwerden auftraten, wurde die Untersuchung an der Brust (n=43) oder an der ICBN-Position (n=61) durchgeführt.

104 Patienten unterzogen sich den QST- und Bedside-Untersuchungen. Die Ergebnisse zeigten bei den meisten Untersuchungen einen signifikanten sensorischen Funktionsverlust. Bei den Vibrations- und Druckschmerztests zeigte sich jedoch eine signifikante Funktionszunahme. Interessanterweise wurde auf der nicht betroffenen Seite auch ein Funktionsverlust bei einigen Untersuchungen festgestellt. Insbesondere wurde dies bei den thermischen und mechanisch-sensorischen Empfindungsschwellen sowie bei den TSL (thermisch-sensorischen Limen) festgestellt. Beim Vergleich beider Seiten in Bezug auf die QST gab es signifikante Unterschiede zwischen allen thermischen Schwellen (sensorisch und schmerzhaft) und den mechanischen Empfindungs- und Schmerzschwellen, unabhängig von der Testpositon (Brust oder ICBN-Stelle).

Beim Vergleich der Behandlungsergebnisse des ICBN, d. h. schonender, teilweiser oder vollständiger Resektion, wurde festgestellt, dass der einzige statistisch signifikante Unterschied bei den mechanischen Erkennungsschwellen zwischen der schonenden und der vollständigen Resektion bestand.

Zwischen den Ergebnissen der Bedside-Untersuchungen und der QST gab es Unstimmigkeiten und bei bestimmten entsprechenden Tests relativ wenig Überschneidungen. Bedside-Untersuchungen und QST unterscheiden sich durch die Methodik und den Bereich, den sie abdecken können. Die QST, die mit anspruchsvolleren Geräten und standardisierten Protokollen ausgestattet ist, kann einen kleineren Bereich abdecken, aber ihre Ergebnisse können eine höhere Auflösung der Funktionsdefizite aufweisen als die der Bedside-Untersuchungen. Mit diesen wiederum können ein großer Bereich erfasst und die wichtigsten Defizite in der sensorischen Funktion ermittelt werden.

Somit sind Bedside-Untersuchungen und QST sich eher ergänzende als sich ersetzende Methoden der neurologischen Beurteilung.

Quelle:

Mustonen, L., Vollert, J., Rice, A. S. C., Kalso, E., & Harno, H. (2020). Sensory profiles in women with neuropathic pain after breast cancer surgery. Breast Cancer Research and Treatment, 182(2), 305-315.

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Referenzen:

[1] American Cancer Society, Cancer Statistics Center

[2] Breastcancer.org

[3] Pereira, S., Fontes, F., Sonin, T., Dias, T., Fragoso, M., Castro-Lopes, J., & Lunet, N. (2017). Neuropathic pain after breast cancer treatment: characterization and risk factors. Journal of pain and symptom management, 54(6), 877-888.

[4] Vollert, J., Maier, C., Attal, N., Bennett, D. L., Bouhassira, D., Enax-Krumova, E. K., ... & Baron, R. (2017). Stratifying patients with peripheral neuropathic pain based on sensory profiles: algorithm and sample size recommendations. Pain, 158(8), 1446.

15.09.21

Kann das Schmerzempfinden auf ein erhöhtes Risiko für Alzheimer hinweisen?

Was ist die Alzheimer-Krankheit?

Die Alzheimer-Krankheit ist eine neurodegenerative Störung und die häufigste Ursache für Demenz. Sie verursacht eine Hirnatrophie und führt zu Gedächtnisverlust und kognitivem Abbau. Derzeit geht man davon aus, dass sich die Zahl der Demenzerkrankungen in den kommenden drei Jahrzehnten fast verdreifachen wird. Eine frühzeitige Erkennung ist wichtig, da sie zu einer besseren Behandlung beitragen kann.

Zusammenhang zwischen der Alzheimer-Krankheit und dem Schmerzempfinden

Mehrere Veröffentlichungen weisen auf Veränderungen des sensorischen Systems infolge von Alzheimer hin. Dabei treten Veränderungen des Sehvermögens, des Geruchssinns und anderer sensorischer Wahrnehmungen auf. In einer 2021 erschienenen Publikation untersuchten Romano et al., ob die Reaktion von Personen auf thermischen Schmerz als nicht invasiver Biomarker für das Risiko dienen könnte, an Alzheimer zu erkranken.

49 kognitiv gesunde Probanden nahmen an der Studie teil. Sie wurden anhand ihres Apolipoprotein-E-Genotyps (APOE) in Untergruppen eingeteilt. Personen, die das ε4-Allel (APOE4) tragen, haben ein erhöhtes Risiko für eine später einsetzende Alzheimer-Erkrankung. Zwölf Teilnehmer mit APOE4 und 37 ohne diesen genetischen Marker führten das folgende Protokoll durch, bei dem eine thermische Stimulation erfolgte:

Die rechte Hand wurde thermisch stimuliert und die Teilnehmer wurden gebeten, den Eingabeknopf zu drücken, sobald sie entweder einen gerade so spürbaren Schmerz, einen schwachen Schmerz oder einen mäßigen Schmerz verspürten. Dabei wurden die Wahrnehmungen jeweils in einem separaten Test bewertet. Die Probanden wurden außerdem gebeten, ihr Unbehagen bei jedem der oben genannten Schmerzgrade zu bewerten. Die thermische Stimulation wurde mit dem quantitativen sensorischen Testgerät Q-Sense durchgeführt.

Alzheimer-Krankheit und Schmerzempfindlichkeit

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass gesunde Personen mit APOE4-positivem Genotyp und somit einem erhöhten Risiko insgesamt weniger schmerzempfindlich sind, ihre Schmerzen jedoch als unangenehmer empfinden als Personen ohne APOE4-Allel.

Sie deuten außerdem darauf hin, dass thermische Schmerztests als nicht-invasive Biomarker für ein erhöhtes Alzheimer-Risiko dienen können. Es sind noch weitere Untersuchungen erforderlich, um diese Aussage zu bestätigen und ein spezifisches Schmerzmuster zu identifizieren, das auf den genetischen Marker hinweist.

Quelle:

Romano, R. R., Carter, M. A., Dietrich, M. S., Cowan, R. L., Bruehl, S. P., & Monroe, T. B. (2021). Could Altered Evoked Pain Responsiveness Be a Phenotypic Biomarker for Alzheimer’s Disease Risk? A Cross-Sectional Analysis of Cognitively Healthy Individuals. Journal of Alzheimer's Disease, (Preprint), 1-7.

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20.04.21

Kann das Berühren einer Plüschrobbe gegen Schmerzen helfen?

In der aktuellen Zeit, in der soziale Distanzierung und das Fehlen von Umarmungen und Körperkontakten auf der Tagesordnung stehen, leiden viele Menschen unter Einsamkeit, Isolation und Schmerzen. Können Roboter die Wärme und den Trost spenden, die der Mangel an menschlicher Berührung hinterlassen hat?

Eine Gruppe der Ben-Gurion-Universität in Israel hat versucht, dies mit der japanischen Roboterrobbe namens PARO herauszufinden. Die Robbe reagiert auf Berührungen und Gespräche, indem sie Augenkontakt herstellt, echte Babyrobbengeräusche von sich gibt und Augen- und Schwanzbewegungen als Reaktion auf Streicheleinheiten durchführt. Die Forscher rekrutierten 83 gesunde Teilnehmer, die zufällig in zwei Gruppen, die PARO-Gruppe und die Kontrollgruppe, aufgeteilt wurden.

Studienaufbau

Etwa drei Viertel der Teilnehmer wurden der PARO-Gruppe zugeteilt. Für diese wurden drei Messzeiträume festgelegt: (1) Baseline-Messung, (2) Messung, während der PARO im Raum war, aber keine Berührungen stattfinden durften, (3) während einer Berührung des PARO. Die Kontrollgruppe hatte drei Messungen im gleichen Zeitabstand, aber ohne Interaktion mit dem PARO.

Es wurden jeweils Fragebögen zum Glückszustand und zur Schmerzwahrnehmung ausgefüllt und der Oxytocin-Spiegel im Speichel gemessen. Oxytocin, das "Liebes"-Hormon, das bei emotionalen Berührungen ausgeschüttet wird, wird in der Wissenschaft meist mit einer Verringerung des Schmerzes verknüpft, was durch verschiedene Studien über Schmerzen bei Säuglingen belegt ist.

Für die Schmerzwahrnehmung wurden thermische Wärmeschmerzreize des TSA-II-Geräts von Medoc verwendet. Dabei kam die visuelle Analogskala CoVAS zur Bestimmung der Schmerzwahrnehmung zum Einsatz. Die Reize wurden vor Beginn der Messungen auf die Schmerzintensität jedes Teilnehmers für leichte (4 auf der Skala) und starke Schmerzen (6 auf der Skala) kalibriert.

Hat das Streicheln von PARO tatsächlich geholfen?

Die Analyse zeigte, dass bei leichten Schmerzreizen die PARO-Gruppe während der Berührung im Vergleich zur Baseline-Messung den Schmerz signifikant niedriger bewertete. Dies war bei reiner Anwesenheit des PAROs ohne Berührung nicht der Fall. Bei der Kontrollgruppe war bei allen Messungen keine signifikante Abnahme der Schmerzbewertungen zu verzeichnen.

Bei starken Schmerzreizen zeigte die PARO-Gruppe eine Abnahme der Schmerzbewertungen sowohl während einer Berührung als auch ohne Berührung. Dabei war deutlich eine Abnahme bei einer Berührung gegenüber keiner Berührung zu erkennen. Bei der Kontrollgruppe gab es ebenfalls eine Abnahme der Schmerzbewertungen im Vergleich zur Baseline-Messung, aber keinen signifikanten Unterschied zwischen der zweiten und dritten Messung.

Interessanterweise sanken die Oxytocin-Werte in der PARO-Gruppe über die Messungen der Studie im Gegensatz zu denen der Kontrollgruppe, die konstant blieben.

PARO, Schmerz und Oxytocin

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Interaktion mit der Babyrobbe PARO die Wahrnehmung sowohl leichter als auch starker Schmerzen verringerte, wobei die Wirkung beim Berühren von PARO stärker war. Sie stellten außerdem die Hypothese auf, dass der überraschende Rückgang des Oxytocin-Spiegels auf eine Verringerung des Stresses während der Interaktion mit PARO zurückzuführen ist, da Oxytocin auch bei Stress ausgeschüttet wird. Offenbar können Roboterrobben bei der Schmerzlinderung wirksam sein, wobei die Wirkmechanismen noch geklärt werden müssen.

Quelle:

Geva, N., Uzefovsky, F., & Levy-Tzedek, S. (2020). Touching the social robot PARO reduces pain perception and salivary oxytocin levels. Scientific reports, 10(1), 1-15.‏

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02.03.21

Liegt es am Knie?

Der patellofemorale Schmerz wird als mechanistisches Schmerzsyndrom betrachtet, das von einer kinetischen, anatomischen oder biomechanischen Dysfunktion ausgeht, die zu nozizeptiven Schmerzen führt. Einige Daten zeigen jedoch, dass nicht bei allen Patienten der patellofemorale Schmerz mit einer biomechanischen Beeinträchtigung in Verbindung gebracht werden kann.

Forscher der School of Health and Rehabilitation Sciences der Universität Queensland in Australien wollten daher klären, ob Patienten mit patellofemoralem Schmerzsyndrom ein lokales oder zentral verändertes sensorisches Profil aufweisen.

Testmethoden

Es wurden 150 Patienten mit patellofemoralem Schmerzsyndrom zusammen mit 61 Personen in einer Kontrollgruppe untersucht.

Quantitative sensorische Tests (QST) wurden an dem Knie mit den stärkeren Schmerzen und dem kontralateralen Epikondylus lateralis des Ellenbogens, also an einer weit entfernten Stelle, durchgeführt. Die QST umfasste Untersuchungen der mechanischen und thermischen Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen (sensory and pain threshold), der Druckschmerzschwellen (pressure pain threshold, PPT), der mechanischen zeitlichen Summierung (temporal summation of pain, TSP) und der konditionierten Schmerzstimulation (conditioned pain modulation, CPM). Für die CPM-Untersuchungen wurden PPTs und Kältereize zur Konditionierung eingesetzt.

Für alle thermischen Tests wurden das Pathway-ATS-Gerät von Medoc, der Vorgänger des TSA-2, für die TSP-Untersuchungen die Pinprick-Stimulatoren von MRC Systems verwendet. Zusätzlich wurden Fragebögen zur Kinesiophobie, Selbstwirksamkeit, Katastrophisierung sowie Angst und Depression eingesetzt.

Ergebnis

Interessanterweise waren die Schmerzschwellen für Kälte und Wärme in der Patientengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant niedriger, sowohl am Knie als auch am Ellenbogen. Dies deutet auf eine zentrale Sensibilisierung hin. Ähnliche Befunde gab es für die mechanischen Schmerz- und Druckschmerzschwellen, aber nicht für die mechanischen und thermischen Sensitivitätsschwellen. Bei den Untersuchungen der zeitlichen Summierung (TSP) und der CPM waren nur die Werte der TSP in der Gruppe mit dem patellofemoralen Schmerzsyndrom signifikant erhöht.

Zusätzlich wurde in der Patientengruppe eine höhere Prävalenz von Angst, Depression und Schmerzkatastrophisierung im Vergleich zur Kontrollgruppe gefunden

Schlussfolgerung

Die Autoren ziehen aus der Untersuchung folgende Schlussfolgerung: "Unsere Entdeckung der thermischen Hyperalgesie bietet neue Einblicke in die Mechanismen des patellofemoralen Schmerzsyndroms. Die multimodale Hyperalgesie lokal und an einer entfernten Stelle (Ellenbogen), die sich in unserer patellofemoralen Schmerzsyndrom-Gruppe in einer größeren Empfindlichkeit gegenüber Wärme, Kälte und Druckschmerz widerspiegelt, könnte als Hinweis auf nokziplastische Schmerzen gewertet werden."

Ärzte, Physiotherapeuten und andere Kliniker, die Patienten mit patellofemoralen Schmerzen behandeln, sollten physiologische, schmerzmodulierende und psychologische Veränderungen in Betracht ziehen, um ihre Patienten ganzheitlich zu behandeln.

Quelle:

Maclachlan, L. R., Collins, N. J., Hodges, P. W., & Vicenzino, B. (2020). Psychological and pain profiles in persons with patellofemoral pain as the primary symptom. European Journal of Pain, 24(6), 1182-1196.‏

Weiter zur Publikation

11.02.21

Schmerzen hoch am Himmel

Die Globalisierung hat unsere Welt für internationale Reisen geöffnet, ebenso wie für die Suche nach einer spezialisierten medizinischen Versorgung in der Ferne und dem damit verbundenen Patiententransport mit dem Flugzeug. Jedes Jahr werden in zunehmendem Maße Patienten zusammen mit Ärzten auf dem Luftweg transportiert. Obwohl medizinische Eingriffe regelmäßig während des Fluges durchgeführt werden, war interessanterweise bislang unbekannt, ob sich die Schmerzwahrnehmung während des Fluges von der am Boden unterscheidet. Einige Studien an Tiermodellen und Menschen deuten jetzt auf veränderte Schmerzwahrnehmung je nach Umgebungsbedingungen und Flughöhe hin. Dennoch unterscheiden sich die aktuellen Behandlungsprotokolle für die Anästhesie während des Fluges nicht zu denen am Boden.

Um zu überprüfen, ob sich die Schmerzwahrnehmung während eines Fluges verändert, führten Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg eine Studie durch, in der die Sinnes- und Schmerzwahrnehmung während des Fluges in verschiedenen Flugphasen getestet wurde (Prottengeier et al., 2020).

Fünfundzwanzig männliche Teilnehmer, alle Crewmitglieder, nahmen an der Studie teil. Die Tests wurden sowohl kurz vor dem Start und der Landung als auch direkt nach Erreichen und kurz vor dem Abstieg aus der Reiseflughöhe durchgeführt. Die QST-Untersuchungen bestanden aus Tests zu den Wahrnehmungsschwellen (perception thresholds), Schmerzschwellen (pain thresholds) und oberunterschwelligen Schmerzreizen (supra-threshold pain stimuli). Es wurden thermische, mechanische und Druckschmerz-Tests durchgeführt.

Die thermischen Tests wurden mit dem TSA-II-Gerät von Medoc nach dem standardisierten und validierten Protokoll des DFNS (Deutsches Forschungsnetz für Neuropathischen Schmerz) durchgeführt.

Der atmosphärische Druck und die Sauerstoffsättigung wurden während des Fluges gemessen. Ein erniedrigter Kabinendruck wurde dabei ebenso wie eine leichte Hypoxie bei den Probanden festgestellt.

Obwohl Veränderungen der Wärme- und Kälteschwellen in der Höhe beobachtet wurden, konnte keine systematische Verzerrung in eine bestimmte Richtung festgestellt werden. Die Autoren schlussfolgern, dass man sich bei Patienten, die mit dem Flugzeug reisen, über auftretende Veränderungen im Schmerzempfinden bewusst sein müsse. Die Veränderungen können je nach Umwelteinfluss (Lärm, Feuchtigkeit, Luftdruck, Höhe) bei jeder Person individuell variieren.

Quelle:

Prottengeier, J., Elsner, S., Wehrfritz, A., Moritz, A., Schmidt, J., & Meyer, M. (2020). Nociception testing during fixed-wing ambulance flights. An interventional pilot study on the effects of flight-related environmental changes on the nociception of healthy volunteers. PloS one, 15(2), e0217530.

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06.12.20

Die unterschiedlichen Thermoden

Wir werden häufig von unseren Kunden gefragt: "Welche Thermode soll ich verwenden?" Unsere Antwort lautet in der Regel: "Es kommt darauf an."

Die Frage nach der richtigen Thermode ist eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt werden, wenn es um die Anschaffung eines Geräts zur thermischen Testung bzw. für quantitative sensorische Tests (QST) geht.

Bei der Thermode handelt es sich um die Sonde, die auf die Haut des Patienten oder Probanden gebracht wird. Sie ändert, gesteuert durch die Software, ihre Temperatur. Da es verschiedene Arten von Thermoden gibt, hängt die Auswahl vor allem vom Verwendungszweck ab.

Lassen Sie uns mit den Grundlagen beginnen:

Vergleiche und Gegenüberstellungen

Die Standard-Thermode hat eine Kontaktfläche von 30x30 mm². Diese Thermodengröße gibt es schon seit Jahrzehnten, und sie ist sehr weit verbreitet.

Die meisten Normdaten, die mit Medoc-Geräten weltweit und speziell vom Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) gesammelt wurden, wurden mit dieser 30x30-Thermode gesammelt [1], [2], [3]. Wenn Sie beabsichtigen, Ihre QST-Ergebnisse mit Normdaten zu vergleichen, die an gesunden Probanden erhoben wurden, sollten Sie die Verwendung der 30x30mm²-Thermode in Betracht ziehen.

Eine weitere recht gängige Thermodengröße ist 16x16 mm². Diese Thermode wird von Forschern und Klinikern verwendet, die kleinere Bereiche beispielsweise im Gesicht [4] oder auf der Zunge [5] stimulieren. Sie wir auch für QST an Kindern [6] verwendet.

Geschwindigkeit

Eine der am häufigsten nachgefragten Thermoden ist die CHEPS-Thermode. Diese Thermode ist etwas Besonderes, denn ihre Technologie erlaubt es, mit sehr hohen Temperatur-Änderungsraten bei Wärme- und Kältestimulation zu arbeiten.

Diese hohen Änderungsraten sind besonders wichtig für Forscher, die eine schnelle thermische Stimulation nutzen wollen, um Contact Heat Evoked Potentials (CHEPs) [7], [8], [9] oder Cold Evoked Potentials (CEPs) [10] aufzuzeichnen. Andere sind vielleicht an einer Anwendung interessiert, die als phasic heat temporal summation bezeichnet wird, bei der sehr schnelle Wärmeimpulse appliziert werden, um auf das Wind-up-Phänomen zu testen [11], [12].

Visualisierung von Schmerz

Die oben genannten Thermodentypen (30x30mm², 16x16mm², CHEPS) sind auch als fMRI-Versionen zur Anwendung während MRT- oder fMRI-Untersuchungen erhältlich. fMRI-Thermoden unterscheiden sich von normalen Thermoden durch eine zusätzliche Kabellänge von 10 Metern, die es ermöglicht, das Gerät außerhalb des MRT-Raums zu platzieren und nur die Thermode durch den Waveguide zu führen, was Rauschartefakte reduziert und die Sicherheit gewährleistet. Diese Thermoden wurden entsprechenden Tests und Validierungen in verschiedenen MRT-Umgebungen unterzogen.

Die thermische Stimulation wurde in vielen psychologischen Studien eingesetzt, in denen Aspekte wie beispielsweise Belohnungsverarbeitung oder Achtsamkeit untersucht wurden [13], [14]. Darüber hinaus wird sie vielfach im Bereich der Schmerzneurophysiologie [15], [16] eingesetzt.

Speziellere Thermoden

Einige quantitative sensorische Tests wurden schon an den ungewöhnlichsten Stellen des Körpers durchgeführt, um spezifische Probleme zu klären.

Intraorale Tests werden mit einer Intraoral-Thermode mit kleinem Durchmesser für verschiedene Zwecke durchgeführt, z. B. für Zahnempfindlichkeit [17], [18], Schmerzstörungen im Mund oder im Gesicht [19] und für den thermischen Geschmacksstatus.

Die Intravaginal-Thermode, früher bekannt als Genito-Sensorik-Analysator (GSA), wird in Studien eingesetzt, die die somatosensorische Funktion und Schmerzen im Genitalbereich bei Frauen [20], [21], [22] und Männern [23] untersuchen.

Sind Sie noch unsicher, welche Thermode am besten zu Ihnen passt? Kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne!

Quelle:

[1] Hafner, J., Lee, G., Joester, J., Lynch, M., Barnes, E. H., Wrigley, P. J., & Ng, K. (2015). Thermal quantitative sensory testing: a study of 101 control subjects. Journal of Clinical Neuroscience, 22(3), 588-591.

[2] Blankenburg, M., Boekens, H., Hechler, T., Maier, C., Krumova, E., Scherens, A., ... & Zernikow, B. (2010). Reference values for quantitative sensory testing in children and adolescents: developmental and gender differences of somatosensory perception. PAIN®, 149(1), 76-88.

[3] Yarnitsky, D., & Sprecher, E. (1994). Thermal testing: normative data and repeatability for various test algorithms. Journal of the neurological sciences, 125(1), 39-45.

[4] Sampaio, F. A., Sampaio, C. R., Cunha, C. O., Costa, Y. M., Alencar, P. N., Bonjardim, L. R., ... & Conti, P. C. (2019). The effect of orthodontic separator and short‐term fixed orthodontic appliance on inflammatory mediators and somatosensory function. Journal of oral rehabilitation, 46(3), 257-267.

[5] Yang, Q., Dorado, R., Chaya, C., & Hort, J. (2018). The impact of PROP and thermal taster status on the emotional response to beer. Food Quality and Preference, 68, 420-430.

[6] Hainsworth, K. R., Simpson, P. M., Ali, O., Varadarajan, J., Rusy, L., & Weisman, S. J. (2020). Quantitative Sensory Testing in Adolescents with Co-occurring Chronic Pain and Obesity: A Pilot Study. Children, 7(6), 55.

[7] Rosner, J., Hostettler, P., Scheuren, P. S., Sirucek, L., Rinert, J., Curt, A., ... & Hubli, M. (2018). Normative data of contact heat evoked potentials from the lower extremities. Scientific reports, 8(1), 1-9.

[8] Jutzeler, C. R., Rosner, J., Rinert, J., Kramer, J. L., & Curt, A. (2016). Normative data for the segmental acquisition of contact heat evoked potentials in cervical dermatomes. Scientific reports, 6, 34660.

[9] Granovsky, Y., Anand, P., Nakae, A., Nascimento, O., Smith, B., Sprecher, E., & Valls-Solé, J. (2016). Normative data for Aδ contact heat evoked potentials in adult population: a multicenter study. Pain, 157(5), 1156-1163.

[10] Hüllemann, P., Nerdal, A., Binder, A., Helfert, S., Reimer, M., & Baron, R. (2016). Cold‐evoked potentials–Ready for clinical use?. European Journal of Pain, 20(10), 1730-1740.

[11] Staud, R., Weyl, E. E., Riley III, J. L., & Fillingim, R. B. (2014). Slow temporal summation of pain for assessment of central pain sensitivity and clinical pain of fibromyalgia patients. PloS one, 9(2), e89086.

[12] Bar-Shalita, T., Vatine, J. J., Yarnitsky, D., Parush, S., & Weissman-Fogel, I. (2014). Atypical central pain processing in sensory modulation disorder: absence of temporal summation and higher after-sensation. Experimental brain research, 232(2), 587-595.

[13] Elman, I., Upadhyay, J., Langleben, D. D., Albanese, M., Becerra, L., & Borsook, D. (2018). Reward and aversion processing in patients with post-traumatic stress disorder: functional neuroimaging with visual and thermal stimuli. Translational psychiatry, 8(1), 1-15.

[14] Harrison, R., Zeidan, F., Kitsaras, G., Ozcelik, D., & Salomons, T. V. (2019). Trait mindfulness is associated with lower pain reactivity and connectivity of the default mode network. The Journal of Pain, 20(6), 645-654.

[15] Russo, A., Tessitore, A., Esposito, F., Di Nardo, F., Silvestro, M., Trojsi, F., ... & Tedeschi, G. (2017). Functional changes of the perigenual part of the anterior cingulate cortex after external trigeminal neurostimulation in migraine patients. Frontiers in neurology, 8, 282.

[16] Grahl, A., Onat, S., & Büchel, C. (2018). The periaqueductal gray and Bayesian integration in placebo analgesia. Elife, 7, e32930

[17] Baad-Hansen, L., Lu, S., Kemppainen, P., List, T., Zhang, Z., & Svensson, P. (2015). Differential changes in gingival somatosensory sensitivity after painful electrical tooth stimulation. Experimental Brain Research, 233(4), 1109-1118

[18] Rahal, V., Gallinari, M. D. O., Barbosa, J. S., Martins-Junior, R. L., Santos, P. H. D., Cintra, L. T. A., & Briso, A. L. F. (2018). Influence of skin cold sensation threshold in the occurrence of dental sensitivity during dental bleaching: a placebo controlled clinical trial. Journal of Applied Oral Science, 26.

[19] Mo, X., Zhang, J., Fan, Y., Svensson, P., & Wang, K. (2015). Thermal and mechanical quantitative sensory testing in chinese patients with burning mouth syndrome–a probable neuropathic pain condition?. The journal of headache and pain, 16(1), 84.

[20] Gruenwald, I., Mustafa, S., Gartman, I., & Lowenstein, L. (2015). Genital sensation in women with pelvic organ prolapse. International urogynecology journal, 26(7), 981-984.

[21] Reed, B. D., Sen, A., Harlow, S. D., Haefner, H. K., & Gracely, R. H. (2017). Multimodal vulvar and peripheral sensitivity among women with vulvodynia: a case-control study. Journal of lower genital tract disease, 21(1), 78.

[22] Lesma, A., Bocciardi, A., Corti, S., Chiumello, G., Rigatti, P., & Montorsi, F. (2014). Sexual function in adult life following Passerini-Glazel feminizing genitoplasty in patients with congenital adrenal hyperplasia. The Journal of urology, 191(1), 206-211.

[23] Chen, X., Wang, F. X., Hu, C., Yang, N. Q., & Dai, J. C. (2018). Penile sensory thresholds in subtypes of premature ejaculation: implications of comorbid erectile dysfunction. Asian journal of andrology, 20(4), 330.

23.10.20

Können Sie Hitze schmecken?

Der thermische Geschmacksstatus (thermal taster status - TTS) ist ein Phänomen, bei dem die thermische Stimulation bestimmter Bereiche der Zunge auch bei Abwesenheit eines gustatorischen Reizes das Gefühl eines ausgeprägten Geschmacks verursacht [3]. Es wird unterschiedlich darüber berichtet, bei welchem Prozentsatz der Allgemeinbevölkerung dieses Phänomen auftritt. In der Forschung wird von zwischen 20% und 50% der Bevölkerung berichtet [4].

Nicht bei allen schmeckt es gleich

Auch innerhalb der Gruppe von Menschen, bei denen das Phänomen auftritt, gibt es Untergruppen. Diese Gruppen unterscheiden sich voneinander in der Reaktionsfähigkeit auf thermische Reize in verschiedenen Bereichen der Zunge und im Phantomgeschmack, den jede Art der Stimulation hervorruft. Green und George berichten, dass „thermische Süße“ ein üblicher Geschmack ist, der bei der Hälfte als Reaktion auf Erwärmung nach Abkühlung der Zunge auftritt [1], während bei Skinner et al. 25 % berichteten, dass sie in Abkühlversuchen „bitter“ schmecken, während weitere 25 % in Abkühlversuchen „sauer“ schmecken [3].

Wie man den thermischen Geschmack beurteilt

Im Allgemeinen wird der TTS durch die Anwendung einer Thermode mit einem Erwärmungs- und einem Abkühlungsreiz getestet, da jede Temperaturwechselrichtung und jede spezifische Temperatur bei den Probanden ein unterschiedliches Geschmacksempfinden hervorrufen. Der thermische Geschmack wird klassischerweise an der Zungenspitze getestet. Einige Studien berichten über Befunde aus Bereichen seitlich der Zungenspitze oder am Zungenrücken.

In mehrere Studien über die Wahrnehmung von thermischem Geschmacksempfinden wurden die 16*16 mm-Thermode [2], [3], [4] oder die intra-orale Thermode [5], [6] von Medocs Pathway-Gerät verwendet.

Ein Beispiel für ein Testprotokoll für TTS fand sich in der Studie von Eldeghaidy et al., in der sowohl Erwärmungs- als auch Abkühlungsuntersuchungen durchgeführt wurden. Der Erwärmungsversuch begann bei 35°C. Es wurde dann auf 15°C abgekühlt und anschließend mit einer Rampe von 1°C/s auf 40°C erwärmt und dort 10 Sekunden lang gehalten [4].

Innervierung des Zungengeschmacks

Bei thermischen Geschmackstests zeigt der vordere Teil der Zunge, der durch den Nervus chorda tympani innerviert ist, eine typische Reaktion auf Erwärmung und Abkühlung, während der hintere Teil der Zunge, der durch den Nervus glossopharyngeus innerviert ist, weniger typisch reagiert [7].

Der thermal taster status bildet zusammen mit einem anderen Maß, dem 6-propylthiouracil (PROP) taster status, den Geschmacksphänotyp [4].

Sind pilzförmige Papillen von Bedeutung?

Es bestand die Hypothese, dass die pilzförmigen Papillen der Zunge aufgrund ihrer hohen Dichte an der Zungenspitze für den thermischen Geschmack verantwortlich sind. Dabei spielten zwei Überlegungen eine Rolle: Sie enthalten sowohl Geschmacksknospen als auch Mechanorezeptoren, die durch gustatorische und Trigeminus-Nervenfasern innerviert werden. Eldeghaidy et al. fanden heraus, dass TTS im Gegensatz zum PROP taster status nicht mit der Dichte der pilzförmigen Papillen korreliert zu sein scheint und daher einen anderen Mechanismus haben muss [4].

Der Geschmacksphänotyp als Ganzes und der thermal taster status im Besonderen ziehen zunehmend sowohl Neurologie-Forscher als auch die Lebensmittel- und Getränkeindustrie in ihren Bann. Die Temperatur kann aktiv als Faktor in die Gesamtheit des Geschmackserlebnisses integriert werden, wenn neue Geschmacksprodukte auf den Markt gebracht werden sollen [8], [9].

Quelle:

[1] Green, B. G., & George, P. (2004). ‘Thermal taste’predicts higher responsiveness to chemical taste and flavor. Chemical Senses, 29(7), 617-628.

[2] Yang, Q., Dorado, R., Chaya, C., & Hort, J. (2018). The impact of PROP and thermal taster status on the emotional response to beer. Food Quality and Preference, 68, 420-430.

[3] Skinner, M., Eldeghaidy, S., Ford, R., Giesbrecht, T., Thomas, A., Francis, S., & Hort, J. (2018). Variation in thermally induced taste response across thermal tasters. Physiology & behavior, 188, 67-78.

[4] Eldeghaidy, S., Thomas, D., Skinner, M., Ford, R., Giesbrecht, T., Thomas, A., ... & Francis, S. (2018). An automated method to detect and quantify fungiform papillae in the human tongue: Validation and relationship to phenotypical differences in taste perception. Physiology & behavior, 184, 226-234.

[5] Yang, Q., Hollowood, T., & Hort, J. (2014). Phenotypic variation in oronasal perception and the relative effects of PROP and Thermal Taster Status. Food Quality and Preference, 38, 83-91.

[6] Hort, J., Ford, R. A., Eldeghaidy, S., & Francis, S. T. (2016). Thermal taster status: Evidence of cross‐modal integration. Human Brain Mapping, 37(6), 2263-2275.

[7] Cruz, A., & Green, B. G. (2000). Thermal stimulation of taste. Nature, 403(6772), 889-892.

[8] Small-Kelly, S., & Pickering, G. (2019). Variation in Orosensory Responsiveness to Alcoholic Beverages and Their Constituents—the Role of the Thermal Taste Phenotype. Chemosensory Perception, 1-14.

[9] Yang, Q., Dorado, R., Chaya, C., & Hort, J. (2018). The impact of PROP and thermal taster status on the emotional response to beer. Food Quality and Preference, 68, 420-430.‏

03.10.20

Teilnehmerkontrollierte tonische Wärme-Schmerz-Bewertung mit CPM: Der Patient weiß es am besten

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die konditionierte Schmerzmodulation (CPM) zu erforschen. Die Modulation kann durch einen festgelegten Stimulus erfolgen, bei dem der Teilnehmer aufgefordert wird, seinen Schmerz zu bewerten. Es kann auch ein Stimulus verwendet werden, den der Teilnehmer beendet, wenn er seine Schmerzschwelle erreicht.

In unserem vorgestellten Artikel hat die Schweizer Gruppe der Universitätsklinik Balgrist das Programm "Search" in der „Medoc Main Station“-Software mit dem Pathway-Gerät verwendet, um eine teilnehmerkontrollierte Untersuchung durchzuführen. Ziel war es, dass der Teilnehmer die Intensität des tonischen Wärme-Schmerzes (je Person kalibriert auf ca. 50/100 VAS) durch Klicken mit der linken und rechten Maustaste konstant hält. Die Konditionierungsreize bestanden aus Kältereizen.

Die Temperatur des tonischen Wärme-Schmerzes wurde zur Messung der Adaptation, durch einen Anstieg der teilnehmerkontrollierten Temperatur, verwendet. Auch wurde die Temperatur des tonischen Wärme-Schmerzes für die zeitliche Schmerzsummation (termporal summation), durch einen anschließenden Abfall der teilnehmerkontrollierten Temperatur, genutzt. Die Temperatur wurde zur Sicherheit der Teilnehmer durch das Programm auf 45°C begrenzt.

Um die Methode zu validieren, wurden zwei weitere Test-Stimuli während eines zusätzlichen CPM-Tests verwendet: einmal mit der Druckschmerzschwelle und einmal mit einem Schmerzreflex.

Interessanterweise konnte die Gruppe zeigen, dass es bei den Tests mit teilnehmerkontrollierten Temperaturen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gab, die normalerweise bei Schmerzbewertungen festzustellen sind. Darüber hinaus zeigte die Anwendung dieses Verfahrens, dass der CPM-Effekt die zeitliche Summierung vermindern konnte. Dies war unabhängig von den Schmerzbewertungen während der Kältereiz-Tests oder der Zeit seit dem konditionierenden Reiz.

Diese Ergebnisse zeigen eine neue validierte Methode zur teilnehmerkontrollieren Erforschung von Schmerz und Schmerzmodulation. Die Verfasser der Studie weisen darauf hin, dass die teilnehmerkontrollierte Temperatur die numerische Schmerzbewertung eliminiert und möglicherweise genauer und repräsentativer für die wahre Empfindung ist, die der Teilnehmer während dieses experimentellen Schmerztests erfährt.

Quelle:

Sirucek, L., Jutzeler, C. R., Rosner, J., Schweinhardt, P., Curt, A., Kramer, J. L. K., & Hubli, M. (2020): The Effect of Conditioned Pain Modulation on Tonic Heat Pain Assessed Using Participant-Controlled Temperature.

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27.06.20

Beeinflusst die Geschlechtsidentität den Schmerz?

Zwischen Männern und Frauen sind Unterschiede in der Schmerzerfahrung, der Schmerzverarbeitung und der Prävalenz chronischer Schmerzen bekannt. Die Forschung zeigt, dass Frauen schmerzempfindlicher und anfälliger für chronische Schmerzzustände wie Migräne und Fibromyalgie sind. Weniger ist darüber bekannt, wie die Geschlechtsidentität die Schmerzwahrnehmung beeinflusst. Strath et al. (2020) untersuchten die Schmerzempfindlichkeit afroamerikanischer Menschen, die mit HIV leben und an chronischen Schmerzen leiden. Drei altersgleiche Gruppen wurden verglichen: cisgender Frauen (CW), cisgender Männer (CM) und transgender Frauen (TW).

Die quantitative sensorische Prüfung bestand aus Tests zu Hitzeschmerzschwellen, Hitzeschmerztoleranz und Hitzereizen zur „temporal summation of heat“ (heat TS) mit Medoc's TSA-II. Taktile Testungen „mechanical temporal summation“ (mechanical TS) wurden mit Monofilamenten durchgeführt. Konditionierte Schmerzmodulation der Druckschmerzschwelle (PPT) wurde durch Medoc's AlgoMed als Testreiz und Kältereizen als Konditionierung durchgeführt.

Die Schwellenwerte für Hitzeschmerz und Hitzeschmerztoleranz unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. Bei der heat TS, bestehend aus fünf kurzen Stimuli von 46 Grad, unterschied sich das Delta der Schmerzbewertungen zwischen den Stimuli nicht zwischen den Gruppen. Interessanterweise waren die Schmerzbewertungen aller Stimuli über die gesamte Serie bei TS sowohl bei CW als auch bei TW im Vergleich zur CM signifikant höher. Es gab keinen signifikanten Unterschied in den Schmerzbewertungen bei TS zwischen CW und TW. Darüber hinaus war die mechanische TS bei TW größer als bei CW und CM. Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen bei PPTs oder bei der CPM-Wirksamkeit.

Diese Befunde weisen auf eine dominante Rolle der Geschlechtsidentität vor dem biologischen Geschlecht bei der Schmerzerfahrung hin. Dies sollte bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen berücksichtigt werden.

Quelle:

Strath, L. J., Sorge, R. E., Owens, M. A., Gonzalez, C. E., Okunbor, J. I., White, D. M. and Goodin, B. R. (2020) Sex and Gender are Not the Same: Why Identity Is Important for People Living with HIV and Chronic Pain.

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27.05.20

Anhaltende Beckenschmerzen, die nicht nur den Beckenbereich betreffen

Anhaltende Beckenschmerzen können zu weitreichenden physischen, psychischen und sogar wirtschaftlichen Belastungen für den Patienten und die Gesellschaft führen. Ein Teil der anhaltenden Beckenschmerzen können auf das Bestehen einer Endometriose zurückgeführt werden, einer Erkrankung, bei der sich Endometriumzellen, die die Gebärmutter auskleiden, außerhalb der Gebärmutter befinden.

In einer schwedischen Studie, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, untersuchten Forscherinnen und Forscher, ob Patientinnen mit anhaltenden Beckenschmerzen, mit oder ohne bestätigte Endometriose, im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen sensibilisiert waren (Grundström et al. 2019).

Die thermische quantitative sensorische Prüfung (QST) wurde mit dem TSA-II von Medoc durchgeführt. Wärme- und Kälteschmerzschwellen wurden am unteren Rücken, an der Mittellinie des Abdomens, am Unterbauch und am Unterschenkel als Referenzstelle durchgeführt. Weitere Messgrößen waren die Druckschmerzschwelle, die Lebensqualität (SF-36) und Fragebögen zu Depressionen und Angstzuständen (HADS).

Insgesamt nahmen 97 Frauen an der Studie teil. Von diesen litten 37 an anhaltenden Beckenschmerzen, darunter 13 mit bioptisch nachgewiesener Endometriose.

Frauen mit anhaltenden Beckenschmerzen haben unabhängig von der Untersuchung der Endometriose durch eine Biopsie eine signifikant niedrigere Schmerzschwelle an allen untersuchten Stellen, einschließlich des dominanten Unterschenkels.

Es gab auch eine statistisch signifikante negative Korrelation zwischen der Schmerzdauer und den Schmerzschwellen bei den Patientinnen mit anhaltenden Beckenschmerzen. Je länger die Schmerzen vorhanden waren, desto niedriger waren die Schmerzschwellen.

Interessanterweise waren bei den Patientinnen die Hitze- und Kälteschmerzschwelle signifikant mit der körperlichen Schmerzdimension im SF-36 korreliert, während die Kälteschmerzschwelle signifikant mit der Depressionssubskala des HADS korreliert war.

Diese Ergebnisse verknüpfen selbstberichtete Schmerzen und Schmerzdauer mit messbaren thermischen Schwellenwerten, was auf die Bedeutung und die Verwendbarkeit der QST bei der klinischen Schmerzbehandlung schließen lässt.

Quelle:

Hanna Grundström, Björn Gerdle, Siw Alehagen, Carina Berterö, Lars Arendt‐Nielsen and Preben Kjølhede. (2018) Reduced pain thresholds and signs of sensitization in women with persistent pelvic pain and suspected endometriosis.

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20.05.20

Sind negative neurologische Anzeichen tatsächlich ein Hinweis auf postoperative Schmerzen?

Eine der Komplikationen von chirurgischen Eingriffen ist die Entwicklung von persistierenden postoperativen Schmerzen. Das Ausmaß des chirurgischen Eingriffs, die Neigung zur Dramatisierung des Schmerzes durch den Patienten und die vorherige Schmerzanamnese können zur Entstehung von persistierenden postoperativen Schmerzen beitragen. Quantitative sensorische Tests (QST) können die Chance einer Person, persistierende postoperative Schmerzen zu entwickeln, vorhersagen [1].

In einer kürzlich von Ghandi et al. von der McGill-Universität in Montreal durchgeführten Studie wurden Daten von Patienten erhoben, die sich einer teilweisen oder vollständigen Lungenresektion durch eine posterolaterale Thorakotomie unterzogen haben. Ziel der Studie war es, auf Grundlage von QST zu ermitteln, bei wem ein Risiko für die Entwicklung von persistierenden postoperativen Schmerzen besteht. Außerdem wurde der Verlauf des Auftretens und der Auflösung einer Neuropathie nach der Operation verfolgt.

Die Patienten wurden vor der Operation und bis zu sechs Monate lang nach der Operation jeden Monat an der Operationsstelle mit QST getestet. Die meisten Patienten hatten unmittelbar nach dem Eingriff Schmerzen an der Operationsstelle. Die thermische QST mit dem TSA-II von Medoc zeigte jedoch Anzeichen eines Funktionsverlusts der Nerven über den Zeitraum der Studie: Einige Patienten wurden an der Operationsstelle weniger empfindlich für Kälte-, Wärme- und Hitzeschmerzen.

Die Hauptfaktoren, die den persistierenden postoperativen Schmerzen vorhersagten, waren Schlafstörungen, Angstzustände und vor der Operation auftretende neuropathische Schmerzsymptome. Die Autoren konzentrierten sich jedoch neben den psychologischen Faktoren auch auf die Untersuchung mit QST. Die thermische QST war einer der Indikatoren, der zwischen Patienten mit und ohne anhaltende postoperative Schmerzen unterscheiden konnte. Etwa drei Viertel der Patienten hatten sechs Monate nach der Operation wenig bis keine Schmerzen. Die meist schmerzfreien Patienten hatten nach sechs Monaten mehr negative sensorische Anzeichen nach der Operation, wie z.B. eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Wärme- und Kälteerkennung und Hitzeschmerzen, als diejenigen, die mäßige Schmerzen hatten und wenig bis keine sensorischen Defizite aufwiesen.

Zusammenfassend lässt sich überraschenderweise sagen, dass thermosensorische Defizite nach der Operation typischer für diejenigen sind, die langfristig nicht unter persistierenden postoperativen Schmerzen leiden werden.

Quelle:

[1] Yarnitsky D, Crispel Y, Eisenberg E, et al. (2008) Prediction of chronic post-operative pain: pre-operative DNIC testing identifies patients at risk.

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03.04.20

Können quantitative sensorische Tests Informationen über die Empfindlichkeit von Verbrennungsnarben liefern?

In der ersten Februarwoche 2020 fand in den USA die jährliche National Burn Awareness Week statt, die unter dem Motto "Kontaktverbrennungen - Heiße Oberflächen beschädigen die Haut" stand.

Gesunde Haut ist lebenswichtig. Als größtes Organ des Körpers mit einer Oberfläche von bis zu 2 m2 bei Erwachsenen dient die Haut als physische Barriere gegen bakterielle, virale und chemische Stoffe. Sie bietet Wärmeisolierung und Temperaturregulierung durch Haare, Fettschichten und Schweißdrüsen.

Wichtig ist, dass sie in ihrem Inneren Nervenenden enthält, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum zu spüren: von sanften Berührungen und weichen Umarmungen bis hin zu Kratzern, Bissen und Schlägen.

Leider ist die Haut auch das Hauptorgan, das bei Verbrennungen geschädigt wird. In Anbetracht der Tiefe der Hautschädigung, der Oberfläche und der betroffenen Körperregion können Personen unterschiedlich starke Nervenschäden erleiden, die über die Genesung hinausgehen können. Dies wiederum kann sich entweder als Gefühlsverlust bei sanften oder schmerzhaften Reizen oder umgekehrt in einer erhöhten Empfindlichkeit des verbrannten Bereichs ausdrücken.

In ihrem 2019 erschienenen Artikel "Sensory change patterns in burned patients" untersuchten Dr. Tirado-Esteban und Kollegen Muster von Nervenschäden in der Haut von Verbrennungspatienten. Die Autoren nutzten quantitative sensorische Tests (QST) - Tests, die Informationen über die Beziehung zwischen Stimulation und Wahrnehmung liefern sollen -, um den Vergleich zwischen dem betroffenen und dem kontralateralen, nicht betroffenen Bereich mit Hilfe von Kälte, Wärme und mechanischen Reizen durchzuführen. Die thermischen Tests wurden mit einem TSA-II-Gerät von Medoc durchgeführt. Die mechanischen Reize wurden mit von-Frey-Filamenten von MRC Systems gesetzt.

Im Vergleich zur nicht betroffenen Seite war der Ort der Verbrennung (im Durchschnitt) weniger empfindlich bei der Erkennung von nicht schmerzhafter Hitze, Kälte und Berührung. Merkwürdigerweise blieb die Schmerzempfindlichkeit für Kälte und Wärme unbeeinflusst. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass dies ein Hinweis auf eine sensorische Störung bei Verbrennungspatienten sein könnte, und die QST ist ein nützliches Instrument zur Erkennung und Überwachung der Empfindlichkeit bei diesen Patienten.

Diese Ergebnisse rechtfertigen weitere Untersuchungen darüber, wie sich Nervenfasern regenerieren und wie die Empfindung wiederhergestellt wird - von der anfänglichen Verletzung bis zur vollständigen Heilung.

Quelle:

Tirado-Esteban, A., Seoane, J. L., Domènech, J. S., Aguilera-Sáez, J. and Barret, J. P. (2019) Sensory alteration patterns in burned patients. Burns.

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20.01.20

Kann ein Glas Wein Schmerz lindern?

Medocs Pathway CHEPS wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie von Horn-Hofmann et al. (2019) verwendet, um die Schmerzmodulation unter dem Einfluss von Alkohol bei gesunden Probanden zu untersuchen.

Dabei wurden Hitzereize zur temporal summation of heat („heat TS“) und für CPM (conditioned pain management) eingesetzt. Die Stimulationsintensität der Hitzereize wurde auf +3 °C über der Schmerzschwelle eingestellt, und ein Warmwasserbad von 46 °C wurde als Konditionierungsreiz genutzt.

Die Teilnehmer wurden vor und nach dem Trinken von entweder Placebo oder einer niedrigen oder höheren Dosis Alkohol den thermischen Tests unterzogen. Die Ergebnisse zeigen, dass die CPM-Hemmung in den alkoholisierten Gruppen im Vergleich zur Placebo-Gruppe erhöht war. Eine höhere Alkoholdosis führte zu einem erhöhten CPM-Effekt. Die Reaktionen auf „heat TS“ waren dagegen nach der Einnahme von Alkohol unverändert.

Die schmerzstillende Wirkung von Alkohol scheint durch eine verstärkte Wirkung der hemmenden Bahnen und nicht durch eine Einschränkung der erregenden Bahnen bedingt zu sein.

Schmerzen mit Alkohol auf lange Sicht zu lindern, wird jedoch nicht empfohlen, da Alkohol eine ganze Reihe neuer Probleme mit sich bringen würde.

Quelle:

Horn-Hofmann, Claudia, Eva Susanne Capito, Jörg Wolstein and Stefan Lautenbacher. (2019) Acute alcohol effects on conditioned pain modulation, but not temporal summation of pain.

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28.11.19

Menschen, die mit HIV leben, zeigen eine veränderte zentrale Schmerzverarbeitung

Owen et al. fanden in ihrer Studie heraus, dass die konditionierte Schmerzmodulation bei Menschen mit HIV (persons living with HIV, PLWH) im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe ineffektiv ist.

Es wurden drei Gruppen verglichen: PLWH mit chronischen Schmerzen, PLWH ohne chronische Schmerzen und eine gesunde Kontrollgruppe. Die Schmerzmodulation wurde mit mechanischer Stimulation (mechanical temporal summation, TS), mit Hitzereizen (temporal summation of heat, heat TS) bei drei verschiedenen Temperaturen (46, 48 und 50°C) sowie mit CPM (conditioned pain management) mit Druckschmerzschwellen als Teststimuli und Kältereizen zur Konditionierung untersucht.

Die Autoren fanden heraus, dass die mechanische TS bei PLWH mit chronischen Schmerzen signifikant größer war als bei PLWH ohne chronische Schmerzen und der Kontrollgruppe. Ebenso hatten PLWH mit chronischen Schmerzen auch signifikant höhere wind-ups als die beiden anderen Gruppen bei den Hitzereizen (heat TS) mit Temperaturen von 46 und 48 °C, wenn auch nicht bei 50°C. Interessanterweise zeigten beide Gruppen von PLWH keinen signifikanten CPM-Effekt, während die Kontrollgruppe dies tat. Die Kontrollgruppe unterschied sich signifikant in ihrem CPM-Effekt von beiden PLWH Gruppen.

PLWH mit chronischen Schmerzen zeigten eine signifikante Korrelation zwischen der durchschnittlichen Schmerzstärke und der mechanischen TS. Diese Veränderungen in der Schmerzmodulation können eine Anfälligkeit für die Entwicklung chronischer Schmerzen in PLWH signalisieren, jedoch ist weitere mechanistische Forschung auf diesem Gebiet erforderlich.

Für die CPM-Testreize wurde Medocs AlgoMed verwendet, für die Untersuchungen mit Hitzereizen (heat TS) Medocs TSA-II.

Quelle:

Owens, Michael A., Romy Parker, Rachael L. Rainey, Cesar E. Gonzalez, Dyan M. White, Anooshah E. Ata, Jennifer I. Okunbor, Sonya L. Heath, Jessica S. Merlin and Burel R. Goodin. (2019) Enhanced facilitation and diminished inhibition characterizes the pronociceptive endogenous pain modulatory balance of persons living with HIV and chronic pain.

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19.11.19

Für Veteranen mit Golfkriegskrankheit geht der Schmerz durch den Magen

Die Golfkriegskrankheit (GWI) stellt sich bei der Rückkehr von Veteranen, die im Persischen Golfkrieg gedient haben, durch eine Reihe von Gesundheitssymptomen dar. Darunter werden Schmerzbeschwerden und gastrointestinale (GI) Probleme aufgeführt.

Eine Studie von Zhou et al. aus dem Jahr 2018 verwendete QST und setzte Medocs TSA-II-Gerät ein. Die Studie verglich zwischen Veteranen, die an GWI leiden, mit (GWI+GI)- und ohne GI-Beschwerden sowie gesunden Veteranen. Die experimentellen Schmerztests bestanden aus:

- Hitzeschmerz-Schwellentest (heat pain threshold)
- Kälteschmerz-Schwellentest (cold pressor pain threshold)
- Ischämischer Schmerzschwellentest (ischemic pain threshold)
- Ischämischer Schmerztoleranz-Test (ischemic pain tolerance)

Veteranen mit GWI+GI hatten deutlich niedrigere Hitze- und Kälteschmerzschwellen im Vergleich zu gesunden Veteranen und Veteranen mit GWI, aber ohne GI-Symptomen. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen gesunden Veteranen und Veteranen mit GWI ohne GI-Symptomen. Für die ischämischen Schmerzschwellen- und Toleranztests erreichten beide GWI-Veteranengruppen ihre jeweiligen Werte vor den gesunden Veteranen. Darüber hinaus korrelierten die durchschnittlichen täglichen Bauchschmerzen bei GWI+GI-Veteranen signifikant mit den experimentellen Schmerzmessungen.

Diese Ergebnisse einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit und ihr Zusammenhang mit GI-Symptomen bei GWI-Veteranen können auf die Konvergenz von viszeralen und somatischen Schmerzwegen hinweisen, vermuten die Autoren.

Quelle:

Zhou, Q., Verne, M. L., Zhang, B. and Verne, G. N. (2018) Evidence for somatic hypersensitivity in veterans with Gulf war illness and gastrointestinal symptoms.

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29.7.19

Sind Kopfschmerzen aufgrund fehlender konditionierter Schmerzmodulation (CPM – conditioned pain modulation) häufig?

Diese Frage veranlasste Levy et al., eine Untersuchung der endogenen Hemmungseffizienz bei innerhalb und außerhalb liegenden Trigeminus-Bereichen in Gesicht, Hals und Arm durchzuführen. Zwei TSA-Geräte wurden verwendet, um einen thermischen Test und eine Konditionierungsstimulation in diesen Bereichen zu ermöglichen. CPM wurde in drei verschiedenen Bereichen getestet.

1) Stirn (V1) und Wange (V3)

2) Wange und Hals (C4)

3) Hals und Arm (C7)

Zusätzlich wurden die räumliche (SSP – spatial summation of pain) und die zeitliche Schmerzsummation (TS – termporal summation) in allen Bereichen getestet.

Interessanterweise erwies sich die Stirn als am wenigsten empfindlich für Hitzeschmerzen, sodass hierfür die höchste Temperatur erforderlich war, um eine Schmerzbewertung von VAS 5-6 zu erreichen. Die einzige Konfiguration, die eine signifikante CPM-Reaktion erzeugte, war die Hals- und Arm-Konfiguration, an der keine der Trigeminusstellen beteiligt war. An allen vier Stellen wurde eine räumliche Schmerzsummation ausgelöst, und die anschließende Analyse zeigte, dass im Vergleich zu den anderen Regionen an der Stirn eine geringere räumliche Schmerzsummation stattfand. Die zeitliche Summe der Schmerzen unterschied sich nicht signifikant zwischen den Bereichen.

Diese Studie zeigte eine ineffiziente Schmerzmodulation bei Trigeminus im Vergleich zu Bereichen außerhalb des Trigeminus. Diese Ergebnisse könnten auf einen möglichen Faktor in der Ätiologie von Schmerzsyndromen hindeuten, die den Trigeminusbereich betreffen.

Quelle:

Levy D, Abdian L, Dekel-Steinkeller M and Defrin R. (2018) Experimental evidence for weaker endogenous inhibition of trigeminal pain than extra-trigeminal pain in healthy individuals.

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18.6.19

Ist eine Polyneuropathie reversibel?

Patienten mit einer Polyneuropathie im Zusammenhang mit einer glykämischen Störung oder einem metabolischen Syndrom (GDMS) wurden in dieser Pilotstudie von Ng Wing Tin et al. mit dem TSA-Gerät von Medoc untersucht. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder zu Standardbehandlungen mit Empfehlungen zum Lebensstil eingeteilt oder zu Coaching-Behandlungen mit einem wöchentlichen Anruf des Arztes, bei dem die Einhaltung der Empfehlungen überwacht und gefördert wurden. Die Patienten wurden zu Studienbeginn und nach drei Monaten untersucht. Das kombinierte Ergebnis sensorischer neurophysiologischer Maßnahmen verbesserte sich nur für die Coaching-Behandlung mit wöchentlichem Anruf, auch wenn sich die Blutwerte nicht verbesserten. Dies kann möglicherweise durch die Tatsache erklärt werden, dass einige Eigenschaften von GDMS mit Mechanismen wie oxidativem Stress, Entzündung und Mikrovaskulopathie zusammenhängen, die die Nervenfunktion beeinträchtigen und sich sofort ändern können.

Quelle:

Sophie Ng Wing Tin, Hela G. Zouari, Samar S. Ayache, Anne-Isabelle Tropeano, Christiane Ajzenberg, Jora Xhaxho, Abir Wahab, Jean-Pascal Lefaucheur and Alain Créange. (2019) Coaching of lifestyle recommendations improves sensory neurophysiological parameters in neuropathies related to glycemic disorder or metabolic syndrome. A pilot study

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